Gesamtwirtschaftlichkeit : Interview mit Christian Teichmann, Geschäftsführer Scania Österreich

Herr Teichmann, wie laufen die Geschäfte für Scania in Österreich?
Scania Österreich hat letztes Jahr das erfolgreichste Jahr der Firmengeschichte abgeschlossen. Wir hatten einen phänomenalen Marktanteil von nahezu 19 Prozent in der Klasse ab 16 Tonnen. Auch heuer laufen die Geschäfte auf hohem Niveau und wir sind aktuell mit einem Marktanteil von 16,5 Prozent mehr als zufrieden. Es sieht so aus, als ob wir wieder ein gutes bis sehr gutes Geschäftsjahr hinbekommen.
In welchen Bereichen und Branchen sehen Sie die besonderen Stärken der Marke Scania?
Eine Stärke von Scania ist sicherlich, dass wir mit einem Baukastensystem arbeiten und so auf individuelle Kundenwünsche optimal eingehen können. Auf den jeweiligen Markt bezogen ergeben sich dann noch individuelle Stärken. Wenn Sie nach Russland schauen, ist das Geschäft mit Fahrzeugen für den Bergbau, also „Mining Trucks“ ein sehr starkes – das haben wir in Österreich gar nicht. In Österreich sind wir – und das ist das Schöne – sehr breit aufgestellt, sei es im Fernverkehr, im Verteilerverkehr, also der Lebensmittel- und Getränkelogistik oder bei Baustellenfahrzeugen. Auch im Kommunalbereich sieht es derzeit sehr gut aus. Am Ende des Tages geht es um Gesamtwirtschaftlichkeit und da kommen unsere Dienstleistungen ins Spiel. Ebenso wie unsere Lkw modular zusammengebaut sind, erstellen wir gemeinsam mit den Kunden modulare Dienstleistungspakete aus dem Bereich Werkstatt, Finanzierung und Versicherung. Das heißt: Wir bauen das Auto und die Dienstleistung optimal zusammen. Vielleicht ist das eine kleine Stärke von uns, dass wir uns hier sehr gut positionieren.
Und wo sehen Sie die Stärken von Scania Fahrzeugen gegenüber anderen Herstellern?
Die anderen Hersteller machen sicher auch einen guten Job. Die ganze Lkw-Branche wurde durch die Euro 6-Umstellung vor große Herausforderungen gestellt und die gesamte Industrie hat fantastisch gearbeitet. Die Entwicklung von Euro 3, 4, 5, EEV-Motoren bis hin zum Euro VI in dieser Geschwindigkeit – so hohe Investitionen und Ingenieursleistungen in so kurzer Zeit – das ist für die gesamte Branche herausragend. Wir haben die Euro 6-Fahrzeuge allerdings als einer der Ersten auf den Markt gebracht und mittlerweile schon die zweite Euro 6-Motorengeneration am Start. Am Anfang gab es die Sorge hinsichtlich der Dieselverbräuche durch die Umstellung vom EEV-Motor auf Euro 6. Wir sind jedoch beeindruckt, wie gut sich die Verbräuche bei unseren Euro 6-Motoren darstellen, wie uns auch die Testberichte und Kundenrückmeldungen bestätigen. Sowohl hinsichtlich Verbrauch als auch Qualität haben wir ausgesprochen gute Autos. Und das war nicht von vornherein abzusehen, denn gerade die Euro 6-Abgasnorm hat die Ingenieure vor große Herausforderungen gestellt. Ich kann mich nur bei den Technikern und Ingenieuren in unserem Mutterhaus in Schweden für diese großartige Leistung bedanken. Christian Teichmann, Geschäftsführer Scania Österreich Wie steht es um die Baubranche?
Wir haben einen guten Marktanteil im Baubereich und sind hier momentan die Nummer 3 in Österreich. Wir sind übrigens auch die Einzigen, die V8-Zylinder-Motoren der Abgasnorm Euro 6 anbieten. Das ist beispielsweise auch für schwere Holztransporte interessant. Immer wenn es schwer wird oder topografisch richtig ans Eingemachte geht, haben wir dafür fantastische Autos.
Welche speziellen Services bieten Sie für den Bau? Gibt es zum Beispiel Kipperaufbauten und Kräne direkt ab Werk und können Kunden diese direkt bei Scania bestellen?
Es gibt die Tendenz, Komplettfahrzeuge ab Werk bestellbar zu machen. Das ist von Land zu Land unterschiedlich ausgeprägt und wir werden uns überlegen, ob das für Österreich Zukunft hat. Momentan arbeiten wir aber mit allen Aufbauherstellern so zusammen, wie der Kunde das wünscht.
Die Qualität des Lkw alleine ist nur eines von vielen Kriterien für die Kaufentscheidung. Wichtiger sind oft Betriebskosten, Serviceintervalle und Wartungsverträge sowie Finanzierungsvarianten bis hin zu Leasing oder Miete – kurz: Es geht um die Total Cost of Ownership (TCO). Wie ist Scania hier aufgestellt und welche Lösungen bieten Sie Ihren Kunden?
Das ist einer der ganz wichtigen Punkte – auch für die Zukunft. Unsere Kunden sind in einem harten europäischen Wettbewerb und alle Lösungen, die eine betriebswirtschaftliche Verbesserung der Situation nach sich ziehen, sind immer gute Lösungen. Dazu braucht man eine Vertriebsmannschaft, die sich sowohl technisch als auch betriebswirtschaftlich sehr gut auskennt – oftmals ein herausfordernder Spagat. Einen Lkw optimal zu spezifizieren ist schon eine Kunst für sich und verlangt höchstes technisches Knowhow. Aber der Kunde erwartet von uns auch betriebswirtschaftliche Lösungen, deren Konsequenz man kennen muss. Es ist ja ein Unterschied, ob ich ein Finanzprodukt anbiete, wie beispielsweise einen Leasingvertrag, bei dem das Fahrzeug beim Kunden nicht in der Bilanz auftaucht, oder ob es sich um eine klassische Finanzierung handelt. Verstehe ich nicht, welche Konsequenz das in der Bilanz des Kunden hat, dann kann ich ihm nur das falsche Dienstleistungsprodukt anbieten. Folglich sind wir schon seit Jahren intensiv dabei, unsere Verkaufsmannschaft immer weiterzuentwickeln und zwar in beiden Bereichen: Technik und Betriebswirtschaft. Denn wir haben heute ein riesen Produktportfolio an Dienstleistungen mit allen möglichen Finanzdienstleistungen über unsere eigene Scania Leasing. Es gibt verschiedenste Werkstatt-, Serviceleistungen, Reparatur- und Wartungsverträge, Antriebsstrang-Reparaturverträge und Telematik-Pakete bis hin zur Kaskoversicherung, die wir anbieten. In allen Punkten, die beim Kunden Optimierungspotenzial ermöglichen, bieten wir Antworten im Dienstleistungsbereich. Wenn das optimale Fahrzeug spezifiziert ist und ein optimales Dienstleistungspaket dazu erstellt wurde, dann sagen wir: Wir optimieren die betriebswirtschaftliche Situation des Kunden und damit, wie es heute so schön heißt, die Total Cost of Ownership.
Gibt es auch Miet-Lkw?
Wir haben einen eigenen Mietfuhrpark. Miete wird immer interessanter in Österreich und in Europa generell. Wenn man Spitzenzeiten mit erhöhtem Fahrzeugbedarf durch eine Mietalternative abdecken kann, dann optimiert man damit die Anzahl seiner Fahrzeuge und somit wieder die TCO. Uns steht ein eigener Mietfuhrpark mit über 100 Fahrzeugen zur Verfügung und wir planen innerhalb der nächsten zwei Jahren die Flotte den Kundenwünschen entsprechend noch etwas zu vergrößern. Wir arbeiten auch bei der Vermietung nach dem Motto „Alles aus einer Hand“. Sie werden von externen Vermietern in ganz Europa keinen Scania mieten können – diese Fahrzeuge finden Sie nur bei uns.
Um auf das Thema Einkauf und Finanzierung von Lkw zurückzukommen – Gibt es das überhaupt noch, dass jemand einen Lkw kauft und ausbezahlt?
Grundsätzlich sehen wir eine starke Tendenz, Lkw nicht mehr zu kaufen, sondern zu nutzen. Und dieser Nutzungsgedanke bedingt, dass man tendenziell immer weniger über die direkten Anschaffungskosten eines Fahrzeugs spricht. Analysiert man die Kosten inklusive Fahrergehältern, Dieselverbrauch, Öl, und so weiter, dann ist der Einkaufspreis eines Lkw gar nicht mehr der alleinige Maßstab. Betrachte ich die einzelnen Bausteine der Kosten, die ein Kunde hat und optimiere hier mit einem sinnvollen Dienstleistungspaket, dann optimiere ich die Gesamtkosten des Kunden. Wir spüren das auch am Auftragseingang der Scania Leasing: Fahrzeuge werden immer mehr genutzt und damit werden Finanzprodukte, wie Leasingverträge oder Leasingverträge in Kombination mit Reparatur- und Wartungsverträgen von uns eingefordert. Mit dem Kunden wird dann nicht der Preis des Lkw, sondern die Kosten pro Kilometer oder Kosten pro Monat verhandelt. Ein Leasingvertrag mit Reparatur- und Wartungsvertrag ist eine Kostengröße pro Monat, die fix ist. Selbst wenn das Fahrzeug einmal kaputtgehen sollte, gibt es keine Überraschungen in der Bilanz. Unser Kunde hat damit eine Stabilität in seiner Kostenstruktur und kann vorausschauend planen. Heute wird bereits ein Drittel aller Fahrzeuge über die Scania Leasing finanziert.
Sie haben die Kosten pro Kilometer angesprochen – Kann man denn einen Lkw auch auf Kilometer kaufen?
Wir können dem Kunden darlegen, wie viel ihn ein gefahrener Kilometer kostet. Ersichtlich wird, ob wir mit unserem Fahrzeug, mit dem Restwert, Zinsraten, Reparatur- und Wartungsaufkommen die Kosten-pro-Kilometer- Relation erreichen können. Das ist ein relativ moderner Ansatz. Hilfreich dabei ist, dass wir bereits heute ein großes Portfolio an Dienstleistungen haben und das jetzt nochmal stark in Richtung Telematik-Systeme erweitern. Der Informationsfluss durch die Telematik eröffnet uns zusammen mit dem Kunden wieder neue Möglichkeiten, um weitere Dienstleistungen aufzubauen und damit die TCO des Kunden weiter zu optimieren. Das ist ein spannender Weg und er endet nie! Ich bin gespannt, was in Zukunft noch alles möglich sein wird.
Das Schwesterunternehmen MAN wird gerade vom Volkswagenkonzern „zerschlagen“, wie Beobachter sagen. Droht Scania ein ähnliches Schicksal? Wie ist die Stimmung im Unternehmen?
Wir sind nun unter dem Dach von VW Trucks and Busses angesiedelt und fühlen uns sehr wohl. VW hat mit uns eine mehrere Jahrzehnte andauernde Beziehung. Wir haben eine ausgesprochen respektvolle und gute Zusammenarbeit auf dieser Linie und auch eine sehr gute Beziehung zu Porsche Austria. Wir sind in dieser Sache sehr entspannt und der Erfolg, den wir haben, gibt keinen Anlass für grobe Veränderungen: Scania hat in Europa mit 17,2 Prozent derzeit den höchsten Marktanteil aller Zeiten.
Herr Teichmann, vielen Dank für das Gespräch.