Future of Transport : Giga-Factory: Produktion von Wasserstoff-Brennstoffzellen für Lkw ab 2025
Die Daimler Truck AG und die Volvo Group haben am 29. April die Strategie für ihr neues Brennstoffzellen-Joint Venture Cellcentric vorgestellt. Die beiden Unternehmen bekennen sich damit klar zum Einsatz von Wasserstoff-Brennstoffzellen in Fernverkehrs-Lkw und darüber hinaus. Gemeinsam wollen die Partner des Joint Ventures diesen Transformationsprozess der Dekarbonisierung beschleunigen. Cellcentric soll dafür zum weltweit führenden Hersteller von Brennstoffzellensystemen werden. Um dies zu erreichen, will man eine der größten Serienproduktionen von Brennstoffzellensystemen in Europa aufbauen und im Jahr 2025 in Produktion gehen. Wo das entsprechende Werk dazu entsteht soll im Jahr 2022 publik gemacht werden. Die Technologiepartnerschaft soll durch Skaleneffekte möglichst rasch die Kostenparität von Wasserstoff-Lkw gegenüber konventionellen Diesel-Antrieben ermöglichen und damit für Kunden zu einer wirtschaftlichen Alternative machen. Das haben Martin Daum, CEO der Daimler Truck AG, und Martin Lundstedt, CEO der Volvo Group, in einer gemeinsamen Pressekonferenz bekanntgegeben. Beide Cellcentric-Anteilseigner fordern zugleich einen einheitlichen regulatorischen Rahmen in der EU, um die Einführung von wasserstoffbasierten Brennstoffzellen schneller voranzutreiben. Cellcentric wird die Brennstoffzellensysteme entwickeln, produzieren und vermarkten. Der Fokus liegt auf dem Einsatz in Fernverkehrs-Lkw, zusätzlich sollen die Systeme auch für andere Anwendungen angeboten werden.
Ende des Verbrennungsmotors 2040
„Dies ist ein klares Zeichen, dass wir an diese Technologie glauben“, betonte Martin Lundstedt, CEO der Volvo Group, die Bedeutung der Gründung von Cellcentric. Martin Daum, CEO von Daimler Tuck, fügte hinzu: „Es ist eine Mission: Die Welt zu verändern.“ Daum bekräftigte, dass er auch in seiner Funktion als Präsident des Nutzfahrzeugausschusses in der Internationalen Vereinigung der Automobilproduzenten (ACEA) bestätigen könne, dass die gesamte Industrie hinter dem Wandel zum klimafreundlichen Transport steht. Spätestens 2040 würde der letzte Verbrennungsmotor produziert, vielleicht aber auch schon früher. Die batterieelektrische Mobilität würde allerdings, wenn sie im großen Maßstab ausgerollt wird, eine enorme Belastung für das Stromnetz darstellen. Hinzu kommen natürlich die bereits bekannten Probleme der Reichweite und Ladedauer, welche Batteriefahrzeuge auf einen regionalen Einsatzbereich beschränken. Wasserstoff wäre eine praktische Alternative und Ergänzung zur Energiebereitstellung, die auch gut skalierbar ist: Je mehr Nutzer es gibt und je mehr Wasserstoff produziert wird, umso niedriger würden die Produktionskosten. Bei einer Ausrollung im großen Stil könnte sich also rasch die Kostenparität in der Nutzung zwischen klassischen Diesel-Lkw und Wasserstoff-Trucks einstellen.
„Elektrische Lkw mit wasserstoffbasiertem Brennstoffzellenantrieb werden eine Schlüsseltechnologie für den CO2-neutralen Transport der Zukunft sein. In Kombination mit rein batterieelektrischen Antrieben können wir unseren Kunden je nach Anwendungsfall so die besten lokal CO2-neutralen Alternativen anbieten. Allein mit batterieelektrischen Lkw wird dies nicht möglich sein“, so Daum.
Klassisches Henne-Ei-Problem
„In Bezug auf die notwendige Wasserstoffinfrastruktur ist grüner Wasserstoff langfristig der einzig sinnvolle Weg“, sagte Daum. Denn es mache schließlich keinen Sinn, Wasserstoff im großen Maßstab über Umwege aus fossilen Quellen zu gewinnen. Da wäre letztlich die Verbrennung von Diesel umweltfreundlicher. Im Moment spiele die Herkunft des Wasserstoffs angesichts des verschwindend geringen Fahrzeugbestands aber noch eine untergeordnete Rolle, da es zunächst um den Aufbau eines Systems aus Infrastruktur und Fahrzeugen gehe. Derzeit werde zudem auch primär gasförmiger Wasserstoff eingesetzt. Aufgrund der höheren Energiedichte und des geringeren Volumens für den Transport glaubt Daum allerdings, dass sich langfristig der flüssige Wasserstoff durchsetzen wird. Für die Entwicklung der Brennstoffzelle selbst sei das aber nebensächlich, diese könne Wasserstoff in jeglicher Form verarbeiten. Ob flüssig oder gasförmig ist lediglich eine Frage des Tanks und der Infrastruktur.
Die Wasserstofftransformation im Transport ist ein klassisches Henne-Ei-Problem, so Daum. Hätte man 100.000 Diesel-Lkw mit Wasserstoffantrieb auf der Straße, würde sofort mit der Ausrollung der Infrastruktur für Verteilung und Produktion von grünem Wasserstoff begonnen werden. Umgekehrt, wäre die Infrastruktur bereits vorhanden, dann würden auch sehr rasch entsprechende Fahrzeuge auf den Markt kommen. Man kann aber keine Wasserstoff-Trucks produzieren und vermarkten, die dann zwei Jahre lang auf der Straße stehen, bis die entsprechende Infrastruktur fertig ist. „Die Entwicklung von Trucks und Infrastruktur muss parallel erfolgen“, schlussfolgerte Daum aus dieser Situation.
Martin Lundstedt, CEO der Volvo Group: „Es bedarf einer breiteren Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren, um die notwendige Technologie und Infrastruktur zu entwickeln. Deshalb fordern wir ein gemeinsames Vorgehen von politischen Entscheidungsträgern und Regierungen auf der ganzen Welt, um die wasserstoffbasierte Brennstoffzellentechnologie zum Erfolg zu führen.“
Die großen Lkw-Hersteller Europas – auch unterstützt durch die Daimler Truck AG und die Volvo Group – fordern den Aufbau von rund 300 Hochleistungs-Wasserstofftankstellen für schwere Nutzfahrzeuge bis 2025 und von rund 1.000 Wasserstoff-Tankstellen bis spätestens 2030 in Europa. Das neue Joint-Venture zum Aufbau einer Brennstoffzellenproduktion bekam bei der Präsentation auch prompt Rückenwind aus der EU: Adina Vălean, die zuständige EU-Kommissarin für Transport, gratulierte den beiden Lkw-Schwergewichten Volvo und Daimler zur Kooperation in diesem Bereich. Auch die EU werde das ihre zur Erreichung einer emissionsfreien Transportlösung auf Wasserstoffbasis beitragen. Durch entsprechende Programme sollen ganze 500 Wasserstofftankstellen bis 2025 entlang der TEN-T-Korridore, der europäischen Hauptverkehrsrouten, entstehen. Bis zum Jahr 2030 sollen 1.000 Tankstellen den Betrieb aufnehmen, so die EU-Kommissarin.
Daimler und Volvo weiter auf Konkurrenzkurs
Sowohl Lundstedt als auch Daum stellten klar, dass das gemeinsame Projekt zur Brennstoffzellen-Entwicklung und Produktion nicht im Widerspruch zur Konkurrenzsituation der beiden globalen Lkw-Giganten stehe. Was Volvo und Renault Trucks rund um die Brennstoffzelle herumbaue, wisse er nicht und das gehe ihn auch nichts an, so Daum sinngemäß. Ins selbe Horn stieß auch Lundstedt. Es gehe nicht darum, gemeinsam Fahrzeuge zu entwickeln, sondern rasch in großen Stückzahlen die Energieversorgungseinheiten für den klimaneutralen Straßengütertransport bereitzustellen. Jeder der beiden Hersteller würde dann die Brennstoffzellen für seine Fahrzeuge nutzen. Die Fahrzeugentwicklung bleibt von dieser Kooperation jedoch völlig unberührt und wird weiter individuell und unabhängig vom jeweiligen Konzern durchgeführt.
Fakten zum Joint Venture für Brennstoffzellensysteme
Die Daimler Truck AG und die Volvo Group haben Cellcentric am 1. März 2021 gegründet. Die Volvo Group hat hierfür 50 Prozent der Anteile am bestehenden Unternehmen Daimler Truck Fuel Cell GmbH & Co. KG für die Summe von etwa 600 Mio. Euro auf einer barmittel- und schuldenfreien Basis erworben. Die Daimler Truck AG und die Volvo Group hatten im November 2020 eine verbindliche Vereinbarung zur Gründung des Joint Ventures geschlossen. Eine vorläufige, nicht bindende Vereinbarung wurde bereits im April desselben Jahres unterzeichnet.
Mehr als 300 hochspezialisierte Experten arbeiten in interdisziplinären Teams an den Standorten Nabern, Stuttgart und Burnaby (Kanada) für cellcentric. Bisher wurden rund 700 Einzelpatente erteilt.