Politik & Arbeitsmarkt : „Es fehlen 150.000 Lkw-Fahrer“
Herr Hödlmayr, wir haben uns zuletzt über den Fahrermangel und einen Rückgang bei Führerscheinneulingen unterhalten – wie entwickelt sich diese Situation aus Ihrer Sicht?
Es fehlen 150.000 Fahrer in Europa und es werden immer mehr, daran hat sich nicht viel verändert. Warum werden es mehr? Weil die Leute in Pension gehen und die früheren Basisschulen für den Lkw-Schein, wie früher das Militär in Deutschland, wegfallen. Das gilt auch für Österreich. Somit fehlt es an Nachwuchs.
Es gibt ein Projekt in Oberösterreich, bei dem Arbeitslose zu Lkw-Fahrern ausgebildet werden – wie ist die Bilanz der Aktion und wie geht es damit weiter?
Wir von der Wirtschaftskammer, Sparte Transport und Verkehr, haben auch heuer wieder eine Aktion zusammen mit dem AMS gemacht. Vom AMS wurden dabei rund 1.000 arbeitslose Personen mittels EDV-Unterstützung ausgewählt. Ich habe dann persönlich mit dem Chef des AMS Oberösterreich, Herrn Strasser, um acht Uhr morgens die Tür aufgesperrt und war baff, als 500 Leute vor der Tür gestanden sind. Rund 50 Personen konnten im Zuge der Veranstaltung für den Fahrerberuf gewonnen und bei verschiedenen Transportunternehmen in Oberösterreich aufgenommen werden.
Ein anderes Projekt ist die L17-Lkw-Fahrerausbildung. Dieses haben wir in Oberösterreich über die Kammer mit einer Sondergenehmigung gestartet. 17-Jährige sollen zusammen mit einem Fahrlehrer innerhalb eines Jahres 30.000 Kilometer fahren und dann mit 18 gleich den Lkw-Führerschein mit Anhänger erhalten. Unser Ziel ist, dass sie dann nicht erst mit 21 Jahren, sondern schon mit 19 international fahren dürfen. Dabei wollen wir junge Leute dahingehend motivieren, dass Lkw-Fahrer kein Hilfsarbeiter-Job ist, sondern man ist Berufskraftfahrer.
Der Brexit steht unmittelbar bevor, wie wird sich das auf die Transportwirtschaft praktisch auswirken?
Keiner kann heute sagen, was am 1. November 2019 sein wird. Ich prophezeie Ihnen jetzt schon, dass die Lebensmittelpreise stark in die Höhe schnellen werden. Denn wenn die Engländer einfach die Jalousie herunterlassen und die Lkw kilometerlang vor der Grenze stehen – was machen sie dann? Die Firmen werden jetzt die Läger anfüllen und wenn es dann eng wird, gehen sie mit dem Preis in die Höhe.
Sie meinen in Großbritannien oder glauben Sie, dass das auch für uns in Europa oder in Österreich Auswirkungen haben wird?
Jetzt bin ich einmal ganz frech: Sagen Sie mir schnell ein Produkt, das in England produziert wird und auf dem Weltmarkt führend ist. Ausgenommen Whiskey.
Vielleicht ein Aston Martin?
Machen die Gewinne? Ich weiß, ich bin da sehr emotional, denn ich verstehe es nicht, dass wir uns in Europa von einem Inselstaat so behandeln lassen. Warum sind die Engländer denn 1972 dem EWR (Europäischen Wirtschaftsraum) beigetreten? Doch weil die Wirtschaft im Keller war, nachdem die Briten immer nur ihre Kolonien
ausgesaugt haben. Und jetzt wollen sie sich verabschieden und 39 Milliarden Pfund nicht bezahlen. Wo kommen wir da hin?
Sie glauben also grundsätzlich, dass der Brexit eher mehr negative Auswirkungen für Großbritannien hat als für den Rest Europas?
Selbstverständlich. Schlecht ist es natürlich für die ganze Wirtschaft. Ich verstehe das bis jetzt nicht.
In Österreich steht nun nach den Wahlen bald wieder die Bildung einer Regierung an. Was wünschen Sie sich denn von dieser?
Wir brauchen Investitionen in die Infrastruktur, Straße, Schiene und Wasserweg. Und wenn wir schon von trimodalem Transport reden, dann brauchen wir auch entsprechende Hubs, die erweitert werden. Eine
meiner Hauptforderungen betrifft auch den wichtigsten Import-Export-Hafen für die österreichische Wirtschaft, Koper. Hier sollte man eine leistungsfähige Zugverbindung und den Ausbau der Gleistrasse forcieren. (Anm: Auf slowenischer Seite ist die Strecke zurzeit einspurig.)