Der Fall: Eine Spedition schloss mit seinem Transportkunden einen grenzüberschreitenden Beförderungsvertrag von Tägerilen, dies liegt in der Schweiz, nach Göttingen, diese Stadt liegt im deutschen Bundesland Niedersachsen. Der Spediteur vergab den Beförderungsauftrag an einen Frächter. Beim Transportgut handelte es sich um ein Röntgengerät mit zusätzlichen Teilen. Der Gesamtwert betrug 220.000 Euro. Die Gewichte der sechs Sendungsteile wurden im Lieferschein des Kunden vermerkt. Dabei brachte das schwerste Kollo 1.044 Kilogramm auf die Waage. Die Frächterparteien waren sich darüber einig, dass die Kolli mit einem „Spezialfahrzeug“ zu transportieren seien, das über eine Ladebordwand verfügte. Zum Kunden bestand bereits eine 18- jährige Geschäftsbeziehung. Über mehrere Jahre hatte die Spedition auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, d.h. auf die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) in der Fassung 2003 hingewiesen. Für den „Sondertransport“ von Haus-zu-Haus vereinbarten die Parteien eine Fracht in Höhe von 1.300 Euro. Die Verladung der Sendungen erfolgte durch den Mitarbeiter des Absenders, während der LKW-Fahrer mit dem Handgabelhubwagen die Sendungen auf der Ladefläche platzierte. Die eingesetzte Ladebordwand hatte eine ausgewiesene Tragfähigkeit von maximal 1.000 kg. Am 26. Mai 2015 wurden die Sendungen dem Empfänger angeliefert. Als der Fahrer das schwerste Kollo auf die Ladebordwand zog, knickte diese ab. Das Kollo rutschte von der Ladebordwand und fiel auf den Boden. Durch den Aufschlag öffnete sich die Kiste. Zu diesem Zeitpunkt war die Hebebühne samt Fahrer und Hubwagen mit zirka 1.299 Kg belastet gewesen. Der Transportkunde hielt den Speditionskunden haftbar und reichte den Schadensfall bei seinem Ladungsversicherer ein. Insgesamt betrug der Sachschaden inklusive Bergungs- und Schadensfeststellungskosten 138.113,45 Euro, so der Transportversicherer des Transportkunden. Am Ende des Tages eskalierte der Fall gerichtlich, denn der Transportversicherer verklagte die Spedition auf Schadensersatz beim Landgericht (LG) Göttingen. Wiederum verkündete der Spediteur dem Frächter gerichtlich den Streit. Der Transportversicherer meinte in seiner Klage, dass sich die Spedition nicht auf die Haftungsbegrenzungen gemäß Artikel 17 Bestimmungen über den Beförderungsvertrag im grenzüberschreitenden Güterverkehr (CMR) erfolgreich berufen könne. Vielmehr hafte er unbegrenzt für die Fehler des von ihm beauftragten Frächters. Dagegen meinte die Spedition, dass sie überhaupt nicht hafte, da sie lediglich als Spediteur den Transport organisierte. Die Pflicht zur sorgfältigen Auswahl des Frächters habe der Spediteur nicht verletzt, so seine weitere Begründung im Schriftsatz.
"Spediteure/Frächter, die geeignetes Fahrzeugequipment mit dem Kunden vertraglich fixieren, jedoch einen unpassenden LKW bei der Transportdurchführung einsetzen, haften im Schadensfall unbegrenzt"
Das Urteil: Am 6. März 2019 entschied das LG, dass die Spedition in voller Höhe gegenüber dem Transportversicherer hafte. Zur Begründung meinte das LG, dass der Frächter des Spediteurs die Sendungen vollständig und im unbeschädigten Zustand übernommen habe. Davon seien Teile beim Ausladen der Kolli durch das Verhalten des Frächters beschädigt worden. Die Spedition könne sich nicht darauf berufen, dass sich seine Haftung begrenze, denn der Schaden sei gemäß Artikel 27 ADSp2003, Artikel 29 CMR durch ein „qualifiziertes Verschulden“ des Fahrers des Frächters verursacht worden. Die Voraussetzung für eine unbeschränkte Haftung liegt auf der Hand, so das LG. Letztlich habe der Frächter für die Güterbeförderung zum Empfänger einen „ungeeigneten“ Lastkraftwagen eingesetzt. Die maximale Tragfähigkeit der Ladebordwand sei zu gering gewesen, um das Einknicken dieser technischen Einrichtung zu verhindern. Somit haben die verantwortlichen Parteien getroffene Weisungen nach Artikel 12 CMR nicht vertragskonform beachtet, so das LG in seinem weiteren Urteilstenor. Festzustellen sei, so das Gericht, dass die Hebebühne für Belastungen von bis 1.000 Kilogramm konzipiert, jedoch diese Grenze bei der Entladung um rund 30 % überschritten worden sei. Es wäre die Pflicht der Spedition gewesen dafür zu sorgen, den Frächter zu instruieren, einen geeigneten LKW einzusetzen. Darüber hinaus betonte das Gericht, dass die Spedition sowohl nach § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als auch nach Artikel 3 CMR für die Obliegenheitsverletzungen des Frächters eins zu eins hafte. Deshalb könne, so das LG in seiner weiteren Urteilsbegründung, offenbleiben, ob den Frächter ein „grobes Organisationsverschulden“ am Güterschadensfall treffe. Zu dem Einwand der beklagten Spedition, dass auf den betreffendem Kollo keine Gewichtsangabe vorhanden gewesen sei, entgegnete das Gericht wie folgt: Es könne dahingestellt bleiben, ob dies so gewesen sei, wie vom Spediteur behauptet worden sei. Denn eine Absenderpflicht zur Kennzeichnung des Packstücks mit dem Bruttogewicht sei weder der CMR zu entnehmen noch dem § 411 Handelsgesetzbuch (HGB). Darüber sei dem Absender des Frächters – hier die Spedition – das Fahrerverhalten des Frächters im Schadensfall zuzuschreiben, wenn der „unter der Oberaufsicht und Verantwortung des Absenders“ gehandelt habe. Am Ende des Tages sei dem Fahrer oder hätte ihm bekannt sein müssen, dass eine Überlastung der LKW-Ladebordwand drohe, wenn die zulässige Tragfähigkeit von zirka 30 % überschritten werde. Unabhängig davon, dass die Spedition das Abladen der Sendungen nicht schuldete, treffe sie eine „Nebenpflicht“, Claims zu verhindern. Nach Prüfung des Schadenbetrages stellte das LG abschließend fest, dass der Betrag von insgesamt 53.358,68 der Höhe nach begründet gewesen sei.
"Fixkostenspediteuren ist immer zu empfehlen, wenn sie den Beförderungsauftrag an einen Frächter untervergeben, die abgesprochenen fahrzeugtechnischen Anforderungen an den Transport immer schriftlich zu vereinbaren, um die Beweisführung im Regressfall zu erleichtern."