Automatisierung : An diesen Orten wird bereits automatisiert gefahren

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Anfang des Monats war TRAKTUELL live dabei, als der fahrerkabinenlose T-Pod der schwedischen Firma Einride auf der Transportlogistik die Hüllen fallen ließ. Es handelt sich um einen automatisierten Transporter, der ein Gewicht von 26 Tonnen auf die Waage bringt und bis zu 15 Europaletten mitführen kann. Über Konzeption einer Fahrerkabine muss sich das Team von Einride keine Gedanken machen. Im Zuge einer Veranstaltung sagte Professor Johann Tomforde von Teammobility, dass die Architektur von Fahrerhäusern modular sein wird. Sie werden aerodynamischer. Durch die zusätzliche Knautschzone aufgrund des längeren Bugs sei dies auch aus Sicherheitsgründen von Vorteil.

Nach Schätzungen der EU-Kommission könnten durch Lkw mit längerem, rundem Bug jedes Jahr bis zu 500 Menschenleben gerettet werden, hauptsächlich Fußgänger und Radfahrer in städtischen Gebieten. Überdies dürfte der verringerte Luftwiderstand den Kraftstoffverbrauch um bis zu zehn Prozent senken. Ab 1. September 2020 dürfen solche Lkw - sofern sie die Typengenehmigung erhalten – dann auch zugelassen werden, wie der europäische Rat beschlossen hat. Doch könnte sich noch mehr ändern: Der Fern-Lkw der Zukunft wird einen Mittelsitz haben. „Lkw-Fahrerhäuser sollen mehr bieten als nur einen Fahrerplatz“. Das Thema Komfort wird immer wichtiger. In Sachen Ausstattung muss in Richtung Reisemobil gedacht werden, so Tomforde. Der Kapitän der Landstraße wird digital.

Kontrolle aus der Ferne

Über Befindlichkeiten des Fahrers muss sich das Team von Einride keine Gedanken machen. Eine Fahrerkabine ist beim T-Pod zusätzlichem Stauraum gewichen. In der schwedischen Stadt Jönköping darf das automatisierte Gefährt bereits eine Gesamtstrecke von 300 Metern zurücklegen. 200 Meter erfolgen dabei auf einem privatem und 100 auf einem öffentlichen Streckenabschnitt. Eine 280-kWh-Batterie an Bord soll eine Reichweite von 200 Kilometer garantieren. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 85 Stundenkilometern angegeben, aktuell darf aus rechtlichen Gründen aber nur mit Schneckentempo (Fünf Km/h!) gefahren werden. Von autonomem Fahren darf ebenfalls noch nicht gesprochen werden.

Dann wird aus dem selbstfahrenden Truck ohne Fahrerkabine plötzlich ein RC-Car, wie man es aus Kindheitstagen kennt. Ein Mitarbeiter wird dem automatisierten Fahrzeug zugewiesen, der im Notfall aus der Distanz per Joystick manuell eingreifen kann. Auf der Transportlogistik 2019 wurde uns verraten, dass bereits ein Test erfolgreich durchgeführt worden ist, bei dem ein Mitarbeiter in Spanien einen T-Pod in Schweden per Funksteuerung gelenkt hat. Selbstständig findet der T-Pod sein Ziel dank sechs Kameras, vier Radarsystemen, vier Infrarot-Detektoren und zwei Antennen, die den Standort des Fahrzeugs auf 20 Millimeter genau orten.

https://youtu.be/I14VN4deS88

Eine besondere Herausforderung ist das Thema Supply Chain Management. Denn wer be- und entlädt das Fahrzeug an Ort und Stelle, wenn es Non-Stop 24 Stunden im Einsatz ist, erklärt ein Mitarbeiter des Unternehmens im Gespräch mit TRAKTUELL. Ein automatisches Be- und Entladen wird notwendig. Überhaupt stellt sich die Frage, ob der T-Pod unter Dauerbelastung standhalten wird. Die Schweden haben sich das Logistikunternehmen DB Schenker zur Verstärkung an die Seite geholt. Nicht nur als Unterstützer, sondern auch, um Praxisfahrten durchzuführen, wie im Falle von Jönköping. Eine Genehmigung wurde durch schwedische Gesetzgeber vorerst bis zum 31. Dezember 2020 erteilt und erlaubt dem T-Pod Fahrten zwischen einem Lagerhaus und einem Terminal innerhalb eines Industriegebiets.

Erster Testeinsatz für Vera

Ein weiteres batteriebetriebenes und automatisiertes Fahrzeug ohne Fahrerkabine, dass es über den Status eines Konzepts zu einem praxisfähigen Transportfahrzeug geschafft hat, ist Vera von Volvo Trucks. Die Schweden scheinen gegenüber derartigen Lösungen generell sehr offen zu sein. Vera hat bereits die Erlaubnis Container aus einem Logistikzentrum in Göteborg in der jeweils erforderlichen Anzahl zu einem Hafenterminal zu transportieren. Dazu wird dem dänischen Fähr- und Logistikunternehmen DFDS zusammengearbeitet. Die Höchstgeschwindigkeit von Vera liegt bei 40 Stundenkilometern.

Ziel der Zusammenarbeit ist der Praxiseinsatz von Vera in einem vernetzten System, das einen kontinuierlichen Güterstrom von einem DFDS-Logistikzentrum zu einem Hafenterminal und von dort in die ganze Welt ermöglicht, ist einer Mitteilung von Volvo Trucks zu lesen. Vera ist für den Transport großer Gütermengen über kurze Strecken ausgelegt. Auch hier wird das System wird von einem für den Transport verantwortlichen Operator in einem Kontrollturm überwacht. „Wir haben jetzt die Gelegenheit, Vera in einem idealen Umfeld im Praxiseinsatz zu testen und ihr Potenzial für vergleichbare Einsatzbereiche weiterzuentwickeln“, erklärt Mikael Karlsson, Vice President Autonomous Solutions bei Volvo Trucks.

Ein Netz aus Fahrzeugen

Volvo Trucks verfolgt das Ziel, ein vernetztes und aus einem Kontrollturm überwachtes System aus mehreren Vera-Fahrzeugen zu realisieren. Dadurch soll ein nahtloser und konstanter Güterstrom erreicht werden, um schnell auf Bedarfsänderungen reagieren zu können. Die Zusammenarbeit mit DFDS ist ein erster Schritt zum Praxiseinsatz auf festgelegten öffentlichen Straßen in einem Industriegebiet. „Wir wollen beim vernetzten, autonomen Transport an vorderster Front stehen“, sagt DFDS-Chef Torben Carlsen. Diese Zusammenarbeit wird uns helfen, eine effiziente, flexible, nachhaltige und langfristige Lösung für autonome Fahrzeuge zu entwickeln, ganz zum Vorteil unserer Kunden, der Umwelt und unseres Geschäfts.“

Ergänzung, aber kein Ersatz

An der automatisierten Transportlösung will Volvo Trucks nun kontinuierlich weiterarbeiten. Technologie, Betriebsmanagement und Infrastruktur - wird weiterentwickelt, mit dem Ziel, vollständige Betriebsbereitschaft herzustellen. Zudem werden die erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um die gesellschaftlichen Anforderungen im Hinblick auf eine sichere Zukunft zum autonomen Transport zu erfüllen, heißt es seitens des Unternehmens. Die Erfahrungen, die Volvo Trucks dabei gewinnt, ermöglichen potenziell den Einsatz von Vera in vergleichbaren Anwendungsbereichen als Ergänzung zu den heutigen Transportlösungen.

„Autonome Transporte mit niedrigem Geräuschpegel und frei von Abgasemissionen werden in der Zukunft der Logistik eine wichtige Rolle spielen, von der sowohl Wirtschaft als auch Gesellschaft profitieren. Wir betrachten diese Kooperation als wichtigen Ausgangspunkt und möchten den Fortschritt in diesem Bereich vorantreiben. Vera hat ein Tempolimit, das gilt aber nicht für uns. Die Tests haben bereits begonnen und wir wollen die Lösung in den kommenden Jahren umsetzen“, ergänzt Mikael Karlsson. Ohne bauliche Maßnahmen im Hafengebiet würde Vera aber schnell an die Grenzen stoßen: So mussten etwa automatische Tore an den Terminals installiert werden.

https://youtu.be/2Gc1zz5bl8I

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