Interview mit Heinz Jürgen Löw : Es braucht keine großen Batterien

Alessandro de Rinaldis, Family Revenue Leader für Renault Trafic, Estafette und Goelette (li.) mit Heinz Jürgen Löw, ehemaliger Head of LCV Renault Group, vor der vollelektrischen Estafette
- © Karin ToberNachdem die inhaltliche Thematik jedoch nichts an Aktualität eingebüßt hat, finden Sie nachstehend die Antworten Löws auf Fragen hinsichtlich alternativer Antriebe im Nutzfahrzeugsektor von Renault.
Laut einer Aussage von Ihnen auf der Solutrans 2023 soll sich der Anteil von rein elektrisch betriebenen leichten Nutzfahrzeugen in Europa von 8 Prozent im Jahr 2023 auf 55 Prozent bis 2030 steigern. Wie sieht nun die aktuelle Situation aus – wird dieses Ziel erreicht werden können oder wird man es gar überschreiten?
Dieses Ziel ist nach wie vor realistisch, derzeit halten wir in Europa bei knapp 10 Prozent. Man müsste natürlich in den nächsten Jahren auf etwa 30 bis 40 Prozent zulegen. Ich halte es für eine Aufgabe der Politik, der Industrie, vor allem auch der großen Konzerne, elektrische Nutzfahrzeuge zu forcieren. Und man darf nicht außer Acht lassen, dass ein Nutzfahrzeug ein Werkzeug ist. Ein solches muss leistbar sein. Ich meine damit, dass wir ein solches Werkzeug zu attraktiven Preisen anbieten müssen.
Die Batterien und damit auch die Fahrzeuge, in denen sie verbaut sind, wurden in den letzten Jahren permanent größer. Eine Spirale, die sich anscheinend kontinuierlich weiterdreht. Wo sind die Grenzen?
Das Spiel der ständig größer werdenden Batterien haben wir bei Renault bewusst nicht mitgespielt. Im Schnitt werden vom Kunden lediglich 150 km am Tag zurückgelegt. Da braucht es keine großen Batterien. Viel wichtiger ist eine schnelle Lademöglichkeit. Deshalb haben wir uns auch für die 800 Volt Ladetechnik entschieden. An DC-Schnellladestationen lässt sich die Batterie damit in weniger als 20 Minuten von 15 auf 80 Prozent aufladen.
Auch das Thema Wasserstoff war ein wichtiges bei Renault – der Master war beispielsweise für den Einsatz mit Wasserstoff vorgesehen. Das französisch-amerikanische Joint Venture Hyvia hatte hier ja ambitionierte Pläne: Der Aufbau einer führenden Marktposition bei leichten Nutzfahrzeugen mit Wasserstoffantrieb in Europa. Diese Strategie endet nun aber nach dem Insolvenzverfahren.
Das ist richtig, Hyvia befindet sich in Liquidation. Wir wollen das Thema Wasserstoff als Antrieb aber weiter beobachten. Derzeit sehe ich hier leider große Schwierigkeiten sowohl was die Infrastruktur betrifft, als auch die Kosten.
Welche sind die wichtigsten Hürden, die es zu meistern gilt, um Kunden die Elektromobilität in Zukunft noch schmackhafter zu machen und den Umstieg zu erleichtern?
Ein entscheidender Faktor ist nach wie vor die Reichweitenangst. Viele Kunden fragen sich nämlich, ob ihre Batteriekapazität ausreicht, um die täglichen Aufgaben zu erfüllen. Und in den meisten Fällen tut sie dies absolut. Die Angst, nicht genug Reichweite zur Verfügung zu haben, ist also völlig unbegründet. 120- bis 150 km täglich fahren unsere Kunden, mehr nicht. Die nächste Sorge betrifft das Netz an Ladestationen - simpel ausgedrückt: wo lädst Du dein Fahrzeug? Was wir unseren Renault Firmenkunden hier speziell anbieten ist ein Komplettservice aus einer Hand – Stichwort Mobilize Power Solution -, welches wir gemeinsam mit ihnen erarbeiten.
Wo sehen Sie die wichtigsten Benefits der e-Mobilität abseits der ökologischen Verträglichkeit?
Unsere neuen Fahrzeuge, basierend auf der EV-Skateboard-Plattform, also Trafic, Estafette sowie Goelette, sind Software definierte Fahrzeuge auf Basis von Android. Sie sind die ersten Renault Fahrzeuge, die über eine zentrale, skalierbare und flexible SDV-Architektur verfügen. Dank der Software-Modularität der SDV-Architektur lassen sie sich zudem mit den Ökosystemen ihrer gewerblichen Nutzer verbinden. Damit wird schon in sehr naher Zukunft eine viel größere Vernetzung mit dem Fahrzeug möglich sein. Dies wird aber auch mit einer intensiven Schulung des Vertriebs einhergehen müssen.
