Infrastruktur : War der Baustopp für den Lobautunnel rechtswidrig?
Die Wirtschaftskammer Wien pocht weiter auf die Umsetzung des Lobautunnel-Projekts. Gestützt wird dieses Anliegen von einem Rechtsgutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer. Laut Mayer sei sogar eine Ministerklage gegen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler im Bereich des Möglichen, sollte sich herausstellen, dass diese eine Weisung an die Asfinag zur Einstellung des Baus erteilt haben. Eine solche Weisung des Ministeriums an die Asfinag ist laut Mayer nicht möglich und rechtswidrig. „Das letzte Wort hat nicht ein Verwaltungsorgan, sondern der Gesetzgeber“, so der Verfassungsexperte. Ähnlich argumentierte der Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien, Sebastian Kummer, bei einer Diskussion im Studio von WEKA Industrie Medien (siehe Video).
Verfassungsjurist Mayer hält sogar rechtliche Schritte gegen die Ministerin für denkbar: „Sollte belegt werden, dass eine solche Weisung ergangen ist, hätte das eine Ministeranklage und in weiterer Folge auch zivil- und strafrechtliche Folgen.“ Auch Gesellschaftsrechtexperte Jörg Zehetner, der ebenfalls ein Rechtsgutachten in der Sache erstellt hat, hält eine Weisung der Ministerin gegen eine Aktiengesellschaft für „aktienrechtlich unzulässig“. Zudem sei das auch inhaltlich gesetzeswidrig, da eine rechtliche Verpflichtung bestehe, die Straße zu bauen. „Mit der Aufnahme einer Straße in das Bundesstraßengesetz ist eine klare Entscheidung getroffen worden, dass die Straße zu errichten ist“, betonte auch Mayer. „Im Prinzip, in der Sache, ist der Tunnel seit dem Jahr 2018 rechtskräftig genehmigt, Beschwerden an Höchstgerichte blieben erfolglos.“ Rechtlich könne das Projekt also nicht durch die Ministerin abgesetzt werden. Wenn Gewessler sage, dass der Tunnel nicht komme, „handelt sie außerhalb ihrer Zuständigkeit“, so Mayer weiter. Sollte sie das Gesetz ändern wollen, könne das nur der Gesetzgeber – also das Parlement – tun, nicht aber eine Ministerin, meinte Zehetner. Auch die Argumentation Gewesslers, dass das Projekt alt und nicht mehr zeitgemäß sei, ist laut Mayer „irreführend“ und „falsch aus rechtlicher Sicht“. 2015 habe das Umweltministerium und 2018 das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidungen auf Basis der damals aktuellen Sachlage getroffen. Änderungen im Sachverhalt, die es bis dahin gegeben habe, hätte das Gericht mitberücksichtigen müssen und „hat es auch berücksichtigt“, so Mayer. „Das Projekt ist also am Stand von 2018.“
Wirtschaftskammer fordert Rücknahme des Baustopps
Für den Präsident der Wirtschaftskammer Wien, Walter Ruck, seien alle Interessen zum Lobautunnel bereits ausführlich abgewogen worden. Zum derzeitigen Zeitpunkt gehe es also nur noch um die Frage, ob sich ein Mitglied der Exekutive über einen Beschluss des Nationalrats und über höchstgerichtliche Urteile hinwegsetzen könne. Darüber zu entscheiden sei aber nicht seine Aufgabe, sondern die des Nationalrates, der einen Misstrauensantrag stellen oder eine Ministerklage einreichen könne.
Der Lobautunnel könne jedenfalls nicht „von heute auf morgen vom Tisch gewischt werden“, so Ruck. Neben der rechtlichen Grundlage fehle dafür auch das Einvernehmen mit dem Finanzministerium (BMF). Das Bauprogramm der Asfinag könne nämlich erst gültig werden, wenn es ein solches Einvernehmen gibt. Bisher stehe es aber noch aus, so Ruck.
Sollte das BMF zustimmen, sei im nächsten Schritt der Asfinag-Vorstand am Zug, sind sich die Rechtsexperten einig. Sollte es jedoch zu keinem Einvernehmen kommen, würde nach Meinung von Zehetner dagegen das alte Bauprogramm umgesetzt werden. Vom Asfinag-Aufsichtsrat fordert Ruck indessen, dass der Baustopp zurückgenommen wird.
Klimaschutz-Ministerium widerspricht
Im Klimaministerium sieht man die Sachlage naturgemäß anders als in der Wirtschaftskammer. Die Planung von Verkehrsinfrastruktur sei eine „zentrale Aufgabe des Klimaschutzministeriums“, heißt es in einem Statement an die APA. Gewesslers Aufgabe sei es auch, jedes Jahr mit der Asfinag ein Bauprogramm abzustimmen, das habe sie getan. Nun könnten die Planungen für „bessere Alternativen“ fortgesetzt werden. „Das Klimaschutzministerium hat dazu natürlich auch umfassende Gutachten eingeholt, die bestätigen, dass diese Vorgehensweise rechtskonform ist.“
Kritik zu den vorgelegten Rechtsgutachten kam außerdem von den Wiener Grünen und Umweltschützern. „Die Stadt Wien hat Klimaziele und diese sind mit dem Lobautunnel nicht in Einklang zu bringen. Wer also nun gegen die Absage des Lobautunnels klagt, klagt gegen das Pariser Klimaabkommen,“ sagte Peter Kraus, der Parteivorsitzende der Grünen in Wien. "Moderne Standortpolitik geht anders", hieß es zudem von Greenpeace. Laut Global 2000 brauche es keinen Lobautunnel, sondern eine „ökologische und sozial gerechte Mobilitätswende und einen schnellen Ausbau von bequemen und zuverlässigen Öffi-Verbindungen“.
„Die Wirtschaftskammer setzt ihre ganze Macht ein, um Klimaschutz zu blockieren“, monieren auch die Aktivisten von „Lobaubleibt“. Von dem Bau würden große Baufirmen wie Strabag und Porr profitieren, während kleine Selbständige und lokale Betriebe nicht von dem Tunnel hätten. „Wir sind auf lokale Wertschöpfung und kurze Wege angewiesen, nicht auf eine Autobahn, die den Transitverkehr nach Wien holt.“
Bundesländer Wien und Niederösterreich für Tunnel-Projekt
Bestätigt fühlte sich hingegen Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) - der ebenfalls zu den Verfechtern des Umfahrungs-Lückenschlusses zählt. Die neuen, nun präsentierten Erkenntnisse würden die Meinung und die Rechtsauffassung der Stadt Wien eindeutig bestätigen. Es werde einmal mehr klargestellt, dass die Entscheidung von Ministerin Gewessler ohne taugliche Rechtsgrundlage getroffen worden sei, hob Ludwig in einer Aussendung hervor.
Kritisiert von Ludwig wurde auch der Umstand der „völligen Intransparenz des Entscheidungsprozesses“, der den Eindruck entstehen lassen habe, dass es sich um eine willkürliche Entscheidung der Ministerin gehandelt habe. Man sei lediglich über die Absage des Projektes informiert worden.
Das Rechtsgutachten bestätige einmal mehr den Standpunkt, den sowohl das Land Niederösterreich als auch die Stadt Wien seit Beginn der Diskussion vertreten würden, reagierte Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) aus St. Pölten. Die Vorhaben seien im geltenden Bundesstraßengesetz verankert, daher sei die Ministerin verpflichtet, diese auch umzusetzen. Aus der Sicht des Landes seien die Erkenntnisse des Rechtsgutachtens ein weiterer klarer Auftrag an Gewessler, „die Projekte im Interesse der betroffenen Regionen endlich anzupacken“, betonte Schleritzko. (APA/Red.)