Gastkommentar : Suez-Blockade: Nur die Spitze des Eisbergs?

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© Thomas - stock.adobe.com

„Als kürzeste Route verbindet die Seestraße über den Suezkanal Asien und Europa miteinander und fungiert dadurch als eine der zentralen Verbindungen für den internationalen Warenaustausch. Doch zugleich handelt es sich auch um einen Flaschenhals mit begrenztem Platz, wie die Vergangenheit bereits mehrfach gezeigt hat. Auch die jüngsten Ereignisse mit der Havarie eines Frachters und der anschließenden tagelangen Blockade des Kanals führen dieses Bild erneut vor Augen.

Wenn fast 400 Schiffe sich an einer der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt stauen, bleibt ein solches Ereignis nicht ohne Folgen für den globalen Handel. Elektrogeräte, Automobilkomponenten, Drogerieartikel oder Möbel – dies alles will schließlich transportiert werden, besonders seit dem exponentiellen Nachfrageanstieg im Pandemie-Sommer 2020. Nach knapp einer Woche erfolgte schließlich die Befreiung des Frachters, doch bis dahin verursachte der Vorfall bereits einen Schaden in Milliardenhöhe. Zudem stauen sich seitdem Hunderte Schiffe, die allmählich den Kurs gen Zielhafen einschlagen. In dieser Woche erreichen vermutlich die Ersten die großen Seehäfen.

Droht der Kollaps?

Nun fängt der große Aufwand für Reedereien und See- wie Binnenhäfen erst an, denn jetzt gilt es strategisch vorzugehen und abzuwägen, wie weiter verfahren werden soll: Warten auf das Signal zur Weiterfahrt oder den deutlich längeren und teureren Umweg bis runter nach Südafrika nehmen? Reedereien sind dabei völlig abhängig von den Häfen, deren Disponenten gerade alle Hände voll zu tun haben. Schließlich besteht weiterhin großer Bedarf der Länder, ihren Export zu regeln. So gerät die bereits unter Druck stehende globale Logistik zusätzlich in Bedrängnis. Es herrscht die Sorge, die Schiffe könnten sich in den Häfen stauen, besitzen diese doch nur eine begrenzte Anzahl an Liegeplätzen. Zentrale Umschlagplätze wie Rotterdam halten ihre Flächen frei, um Verstopfungen durch zu hohe Aufkommen zurückkehrender Schiffe aus Suez zu vermeiden. Frachten aus den Binnenports müssen daher zielgenau in den Umschlagplätzen ankommen, um von dort aus direkt weiterverschifft zu werden. Eine Zwischenlagerung stellt derzeit keine Option dar.

Dadurch erhöht sich insbesondere der Druck auf Straße und Schiene, weil Lkw und Züge die Lagerung der Frachten übernehmen. Logistiker sehen sich gezwungen, so präzise wie möglich zu planen, um die Waren pünktlich in den Häfen abzuliefern, damit der Export überhaupt gewährleistet wird – so zumindest die Theorie. Verspätungen oder Verzögerungen auf See stellen zwar keine Seltenheit dar, jedoch lag die Pünktlichkeitsrate der Schiffe vor der Blockade bereits bei gerade einmal 30 Prozent. Durch den Vorfall hat sich das Problem nur weiter verschärft und führt zu einer zusätzlichen Überlastung der europäischen Terminals. Die Kapazitäten in den Häfen befinden sich am Limit, was die Planung und den Transport vom beziehungsweise zum Hafen zunehmend erschwert.

Besonders die Zwischenlagerung der Exportcontainer gestaltet sich aufgrund des begrenzten Platzes in den Ports immer komplizierter, weshalb hier nach Ausweichmöglichkeiten gesucht werden muss. Dies bedeutet einen erheblichen administrativen Mehraufwand, der noch dazu mit einer höheren finanziellen Belastung einhergeht. Planungen und Kapazitäten sind grundsätzlich knapp bemessen und Lieferketten reißen schnell. Insbesondere der Straßentransport zieht hier den Kürzeren, da Logistikunternehmen letztlich die Umdisponierungskosten vonseiten der Reedereien und Häfen größtenteils allein tragen müssen.

Stein auf Stein

Zum aktuellen Zeitpunkt lässt sich noch nicht genau absehen, welche Nachwirkungen die Havarie im Suezkanal nach sich zieht. Erst in einigen Wochen offenbart sich das gesamte Ausmaß. Allerdings steht bereits fest: das Timing könnte nicht schlechter sein. So geschieht die Blockade im Rahmen einer ohnehin prekären Lage für die globale Logistik. Schon die Corona-Pandemie strapaziert die weltweiten Lieferketten ohnehin durch den exponentiellen Nachfrageanstieg im letzten Jahr. Konsumenten und Konsumentinnen können nicht reisen, verbringen den Großteil ihrer Zeit zuhause und damit auch im Internet. Online-Käufe steigen und der Exportbedarf erhöht sich. Viele überwiegend aus Asien gelieferte Artikel wie Möbel, Elektro- und Sportgeräte erlebten eine starke Nachfrage, medizinische Produkte wie Masken und Desinfektionsmittel galt es ebenso aus Übersee zu transportieren.

Hinzu kommen mittlerweile auch Impfstoffe, die es nicht nur europaweit, sondern auch international zu befördern gilt. Da braucht es an allen Enden zusätzliche Kapazitäten, denen Logistiker gerecht werden müssen. Und auch der zu Beginn des Jahres in Kraft getretene Brexit hat den internationalen Warenverkehr zusätzlich in die Bredouille gebracht. Ob Straße, Schiene oder See – die Logistikbranche steht derzeit unter Zugzwang. Welches Risiko noch dazu darin besteht, den Großteil des globalen Handels auf ein Nadelöhr zu stützen, sollte inzwischen deutlich sein. Gibt es Alternativen?“