Interview : RightViu hat den toten Winkel im Blick

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Gerade im unübersichtlichen Frontbereich kommt es zu Unfällen zwischen dem Lkw und schwächeren Verkehrsteilnehmern. Der deutsche Verkehrsunfallforscher Henrik Liers weiß: Gut die Hälfte der Fußgänger und Radfahrer stößt mit dem Lkw-Fahrerhaus zusammen, die Kollisionsgefahr liegt im rechten Frontbereich des Fahrzeugs. „Generell sind Lastwagen nur in etwa sechs Prozent aller (Innerorts-)Abbiegeunfälle verwickelt, „sagt Liers. „Jedoch sind sie in fast 90 Prozent der Abbiegeunfälle mit getöteten Fußgängern oder Radfahrern beteiligt.“

Radar erkennt Bewegungen

Eine förderfähige Lösung zur Nachrüstung schwerer Nutzfahrzeuge hat Continental mit RightViu auf den Markt gebracht. Es handelt es sich um einen radarbasierten Abbiegeassistenten. „RightViu unterscheidet sich von kamera- oder ultraschallbasierten Systemen dadurch, dass in Verbindung mit einer eigens programmierten Software erkannt wird, ob es sich tatsächlich um einen Radfahrer oder Fußgänger handelt“, erklärt Georg Kliewer, Leiter des Bereichs Spezialfahrzeuge Aftermarket bei Continental.

Der Radarsensor detektiert die komplette rechte Seite entlang des Fahrzeugs und erfasst alles, was sich von hinten nähert. Der überwachte Bereich beträgt seitlich vom Fahrzeug vier Meter und bis 14 Meter hinter der Fahrzeugfront. Mithilfe des Dopplereffekts kann der radarbasierte Abbiegeassistent feststellen, mit welcher Geschwindigkeit sich ein Objekt bewegt.

Unkomplizierter Einbau

Für Fahrradfahrer ist es die typische Bewegung der Pedale, die das System erkennt. Eine Software wertet anschließend die Informationen der Radarsensoren aus. Befindet sich ein Fahrradfahrer im Abdeckungsbereich, wird der Fahrer im Fahrerhaus akustisch und optisch gewarnt. Möglich ist auch eine Kombination der Warnsignale aus Warnton und Warnleuchte.

RightViu lässt sich mit nur geringen Eingriffen am Rückspiegel des Fahrzeugs anbringen, es müssen keine Bohrungen in die Fahrzeugkarosserie vorgenommen werden. Zum Anschluss nutzt das RightViu den im Fahrzeug vorhandenen CAN-Bus.

https://youtu.be/hIrrovsnNyw

Kollisionsgefahren rasch erkennen

„Ganz bewusst haben wir uns für ein System ohne Display entschieden, denn ein Display kann zur Überforderung des Fahrers führen“, erklärt Ulrich Roskoni, Senior Product Manager bei Continental. Roskoni ist für radarbasierte Nutzfahrzeug-Systeme im Nachrüstbereich verantwortlich.

„Bei einer Reaktionszeit im Sekundenbereich bleibt nicht viel Zeit, um auf einen Monitor zu schauen oder in die Spiegel des Fahrzeugs. Hier sorgt ein deutliches Warnsignal für ein rascheres Abbremsen“, sagt Roskoni. Aktuell arbeiten die Entwickler bei Continental an einer Nachrüstlösung für leichte Nutzfahrzeuge, die ebenfalls auf Radartechnologie basieren wird.

Drei Fragen an den Experten

TRAKTUELL: Herr Roskoni, Sie sind bei Continental an der Entwicklung des Abbiegeassistenten „RightViu“ für schwere Nutzfahrzeuge beteiligt gewesen. Wo führt uns die Reise hin, damit derartige Systeme für noch mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgen?

Ulrich Roskoni: In der Geschichte gab es verschiedene Ansätze Abbiegeassistenten zu entwickeln. Es begann mit Ultraschallsensoren hin zu Kamera- und Radarsensoren, mittlerweile werden Lidarsensor-Systeme getestet.

Das Ziel ist ein System zu erhalten, das alle Fahrzeugseiten für den Fahrer sichtbar werden lässt. Und zwar möglichst so, dass der Fahrer selbst nicht die Aufgabe hat, zu schauen, ob im Umfeld seines Fahrzeugs irgendetwas gefährlich sein könnte.

TRAKTUELL: Wo liegt denn aktuell der Standard bei Abbiegeassistenten?

Ulrich Roskoni: Zum Standard zählen im Moment zwei Systeme. Einerseits sind das Kamerasysteme, wo die Kamera auch als Sensor fungiert und Bilddaten auswertet. Andererseits gibt es Sensoren wie Ultraschall oder Radar, die aktiv nach anderen Verkehrsteilnehmern suchen und melden. Diese Systeme gibt es auch kombiniert. In Zukunft läuft es darauf hinaus, dass man die Technik miteinander verbindet. Sprich die Informationen verschiedener Systeme zusammenführt.

TRAKTUELL: Aus welchen Systemen setzt sich der Continental-Abbiegeassistent „RightViu“ zusammen - und was kann dieser?

Ulrich Roskoni: Hier reden wir konkret von einem radarbasierten System. RightViu bietet den Vorteil, dass es nachgerüstet werden kann. Dieses Kriterium musste auch bei der Entwicklung berücksichtigt werden, denn nur bedingt lässt sich in die bestehende Fahrzeuginfrastruktur eingreifen. Deshalb lag ein Schwerpunkt der Entwicklung darauf, dass sich RightViu im Nachhinein unkompliziert einbauen lässt.