Logistik : Johannes Hödlmayr im Exklusiv-Interview mit TRAKTUELL

© Hödlmayr

Der Automarkt ist letztes Jahr dramatisch eingebrochen. Seit dem Frühjahr 2021 zieht das Neuwagengeschäft wieder an, die Produktion wird allerdings wegen mangelnder Verfügbarkeit von Halbleiterbauteilen ausgebremst. Wie geht das Unternehmen Hödlmayr mit dieser Situation um?

Der Pkw-Markt ist 2020 in ganz Europa um 25 Prozent eingebrochen. Insbesondere der erste Lockdown hat auch uns hart getroffen, weil von einem Tag auf den anderen alles gestanden ist. Wir haben aber aus der Krise gelernt und uns überlegt, was können wir neben dem Neuwagengeschäft noch machen? Und hier haben wir viel von unserer belgischen Niederlassung gelernt, nämlich was das Gebrauchtwagengeschäft ausmacht. Es gibt große Flottenbesitzer wie Hertz, Sixt oder Buchbinder, die junge Gebrauchtfahrzeuge – die sind ein Jahr alt und haben maximal 25.000 Kilometer auf dem Tacho – zurückgeben und in den Handelskreislauf für Gebrauchtwagen bringen. Ein Auto abholen und in unser Verteilzentrum zu bringen, das ist nichts Neues. Wir aber haben eine eigene Unit gegründet, die das Auto zunächst in einer speziellen Fotobox analysiert. Hier nimmt man das Fahrzeug exakt auf und kann sogar die Lackdichte messen, um Vorschäden zu erheben. Auf dieser Basis wird das Auto mit Softwareunterstützung anhand von Alter und Kilometerleistung preislich bewerten. Und als „Added-Value“ von Hödlmayr bieten wir dem Besitzer des Fahrzeugs an, es entsprechend aufzubereiten und den Wert damit zu steigern. Dann stellen wir es auf eine eigene Plattform, über die Autohändler auf das Fahrzeug zugreifen können. Das ist eine neue Business-Unit, die wir jetzt auch in Österreich ausgerollt haben: Die Hödlmayr Urban Logistics mit Sitz in Wien.

Wollen Sie auch in die Vermarktung dieser Fahrzeuge einsteigen?

Nein, wir als Hödlmayr werden nicht im Autohandel tätig sein, sondern wir sind und bleiben Logistiker und damit der verlängerte Arm für den Handel. Nicht Hödlmayr vermarktet die Fahrzeuge, sondern wir stellen diese Dienstleistung zur Verfügung. Jeder Autohändler und Flottenbesitzer kann diese Dienstleistung anfordern. Wenn wir selbst in die Vermarktung einsteigen würden, wären wir ein Wettbewerber für den Handel. Das machen wir daher nicht.

Was bewegt sich sonst noch bei Hödlmayr?

Wir haben in der Krise den Mut gehabt zu investieren. Im Herbst 2020 haben wir in Schwertberg die Lagerflächen um 50.000 m2 erweitert. Und im Sinne unserer Nachhaltigkeitsphilosophie – Hödlmayr hatte schon in den 70ern eigene Wasserkraftwerke, da hat es noch keine Grünen gegeben – haben wir in Belgien heute die größte Photovoltaikanlage mit 3.000 Autos unter dem Dach. Auch in Schwertberg gibt es in puncto PV-Anlagen aktuell eine Baustelle, denn wir werden eine PV-Anlage auf einer Halle mit 10.000 m2 Fläche installieren. Den Strom werden wir nicht nur selbst verwenden, sondern auch ins Netz einspeisen.

Sie haben sich ja inzwischen aus der operativen Geschäftsführung als CEO in den Aufsichtsrat zurückgezogen. Wie steht es um die nächste Generation der Hödlmayrs?

Im Geschäftsfeld High-and-Heavy hat mein Sohn die Geschäftsführung dieser 25-Millionen-Transportfirma übernommen. In diesem Bereich haben wir uns angeschaut, wie man einerseits Geschäft dazugewinnen und Leerstrecken reduzieren kann. Das hat man im Vertrieb sehr geschickt gemacht, einerseits mit der Philosophie durch die Leerstreckenreduktion nachhaltig zu sein und andererseits die doch sehr angespannten Transportpreise auf einen Level zu bringen, bei dem man zumindest einen ordentlichen Deckungsbeitrag erwirtschaftet und einen leichten Gewinn macht.

Klimaschutz ist ein beherrschendes Thema in der Industrie. Neben den CO2-Zielen für Pkw gibt es bald auch strenge Vorgaben zur Emissionsreduktion von Lkw. Diese sollen durch alternative Antriebe wie Elektro, Gas und Wasserstoff weniger Treibhausgase emittieren. Ist das der richtige Weg?

Ich kann mit einem Elektro-Lkw vielleicht zustellen, aber international kann ich keine Batterie mitschleppen, aus der ich obendrein nicht die nötige Leistung herausholen kann. Aber: Was geschieht in der Mobilitätsveränderung in den nächsten zehn Jahren? Wie können wir schneller zum Wasserstoff kommen? Mit entsprechenden Förderungen sollte das in sechs Jahren möglich sein, dann hätten wir den saubersten Antrieb für den Lkw-Motor.

Wir haben in Österreich insgesamt rund fünf Millionen Fahrzeuge. Der Lkw-Sektor ist wirklich Vorreiter mit Euro V- und Euro VI-Motoren. Hödlmayr hat in seinem Fuhrpark mittlerweile zu 97 Prozent nur mehr diese Fahrzeuge im Einsatz. In Deutschland wäre auch Gas, also LNG, steuerlich bevorteilt. Unsere Verkehrsministerin hat allerdings Null Verständnis dafür und gibt den Unternehmen nicht die Chance auf ein Investitionszuckerl, um beispielsweise einen alten Euro 3-Lkw durch einen Gas-Lkw zu ersetzen. Weil wir leider als Branche auf taube Ohren stoßen. Wir als Unternehmer haben trotzdem mit einer Startup-Firma namens Digitrans in Platooning investiert. Stellen wir uns die Vision vor, es fahren drei Lkw beladen auf der Autobahn nicht mit 50, sondern mit 15 Metern Abstand. Die Fahrer zwei und drei schalten den Autopiloten ein und haben keinen Stress, sparen sechs Prozent Treibstoff und für die Infrastruktur kommen 30 Prozent mehr Lkw auf der rechten Spur durch – mit derselben Investition. Wie können wir diese Vision zum Fliegen bringen?

Es ist uns bei der Firma Digitrans gelungen, Magna als Gesellschafter zu gewinnen. Magna hat in Sankt Valentin eine eigene Lkw-Teststrecke, in die wir auch als Digitrans noch zusätzlich investieren werden, um rascher zu praxisrelevanten Testergebnissen zu kommen. Wir wollen den jetzigen Level 3 im autonomen Fahren rascher auf Level 4 heben und das Thema „selbstfahrende Lkw“ schneller vorantreiben. Diese Technologien müssen wir unterstützen und sehen, dass wir damit weiterkommen. Und wir brauchen in der Politik eine Ministerin, die hier auch dahintersteht. Mir geht es um die Zukunftsentwicklung.

Na gut, der Lkw ist jetzt nicht unbedingt das Lieblingsthema der grünen Politik.

Aber, wer war denn Systemerhalter beim ersten Shutdown? Wer hat dafür gesorgt, dass die Regale der Supermärkte voll und Medikamente verfügbar waren. Seien wir doch froh, dass wir eine funktionierende Logistikbranche haben. Plötzlich war es sogar möglich, nachdem wir zusammen mit WKO-Spartenobmann Klacska Druck gemacht haben, dass Lkw kurzfristig sogar am Samstag und Sonntag fahren konnten, damit die Lebensmittel in die Regale kommen.

Auch die Lenkund Ruhezeiten wurden damals ausgesetzt.

So ist es. Ich habe einen großen Wunsch: Die Logistikbranche in Österreich hat 250.000 Arbeitsplätze, die Systemerhalter in dieser Krise waren und es noch immer sind. Wir bekommen nicht das Ohr bei den Entscheidungsträgern, das uns zusteht. Jeder einzelne Mitarbeiter, der jetzt am Brenner austeigen muss für einen Nasenbohrtest – ich sage das absichtlich etwas provokant – dafür sagt niemand „Danke!“ – „Danke, dass Du dafür gesorgt hast, dass ich meine Milch jeden Tag im Regal vorfinde.“

Neben der Corona Krise ist inzwischen der finale Brexit und damit die Zollgrenze ins Vereinigte Königreich Realität. Wie wirkt sich das auf Hödlmayr und die Logistik im Allgemeinen aus?

Wir liefern Scania Lkw nach England und haben das Glück, dass wir dort einen sehr guten Partner, die Firma Stobart haben. Das heißt, wir organisieren und steuern den kompletten Vorlauf von den Werken bis zum Verschiffungshafen. Dort übernimmt dann Stobart die Fahrzeuge und stellt sie mit ihren eigenen Lkw den Händlern in England zu. Wir sind von der Stärke, die wir in der EU hatten, grenzüberschreitend rasch ohne Zoll Waren einzuführen, um Jahrzehnte zurückgegangen, dank des Brexits. In den sauren Apfel beißt jetzt unser Partner Stobart. Da wird man wieder sehen: derjenige, der schneller organisiert ist und schneller die Abwicklung macht, der wird vorne dabei sein. Und das traue ich unserem Partner zu, weil der eine sehr fähige Mannschaft hat.

Und wie sieht das mit den Mehrkosten aus, beispielsweise für die Wartezeiten an den Grenzen. Wer schluckt denn das im Endeffekt?

Wir haben ganz klar zu den Kunden gesagt: Wir schauen uns das jetzt einmal drei Monate an und dann kommen wir mit den Mehrkosten zu Euch und diese müssen von Euch getragen werden. Es kann nicht sein, wenn man einen Zweijahresvertrag aus der VorBrexit-Zeit hat, dass man jetzt alles schlucken kann. Diese Diskussionen sind noch offen.

Wird das nicht auch langfristige Auswirkungen auf die Warenströme haben, sodass es sich für gewisse Güter einfach gar nicht mehr auszahlt, nach Großbritannien zu exportiern oder nach Europa zu importieren, weil die Logistikkosten zu hoch sind?

Ich kann nur überliefern, was Kollegen gesagt haben: Wenn sie schon nach England reinfahren und die Stehzeiten für den Import dorthin bezahlt werden, dann laden sie dort gar nichts mehr. Die fahren lieber leer retour und lade dann irgendwo in Benelux. Das sind Signale, dass dadurch die englische Produktion für den Export in andere Länder gehen muss. Aber das ist beziehungsweise war eine Entscheidung der britischen Regierung.

Der Lkw-Hersteller MAN wälzt Pläne zur Schließung des Werks Steyr. Welche Auswirkungen hätte das auf den Logistikstandort Oberösterreich. Wären Sie selbst davon betroffen im High-and-Heavy-Geschäft?

Selbstverständlich sind wir in diesem Bereich davon betroffen. Aber der Logistikstandort Oberösterreich ist bis zum heutigen Tag noch immer der Motor der Logistik in Österreich. Da könnte man sagen, weil wir geografisch in der Mitte liegen – Nein, weil tolle Unternehmer und Unternehmerinnen hier sind, auch im General-Cargo-Bereich, die wirklich etwas bewegen. Und wie so oft im Leben, wenn so etwas tatsächlich passiert, dann wird jeder Unternehmer schauen müssen, welche Alternativgeschäfte er findet. Ein geschickter Unternehmer macht das. Wer den Kopf in den Sand steckt, den wird es am Ende nicht mehr geben, das ist immer so im Leben.

Kann es sein, dass wir es mit der Ökologisierung übertreiben? Es gibt Experten, die die Meinung vertreten, Europa würde damit eine Industrie ruinieren, die dann schlicht woanders wieder aufgebaut wird.

Da kann ich diesen Experten leider nur Recht geben. Wir müssen wahnsinnig aufpassen, dass wir das geistige Know-how nicht verlieren. Gerade in unserer Branche: Wenn dieses ganze Elektro als einziges Mittel gesehen wird, ist das ein Fehler in meinen Augen. Man sollte wirklich alle Alternativen in Betracht ziehen. Wasserstoff ist für mich die Zukunft, übergangsmäßig auch LNG. Wenn man all diesen Technologien eine Chance gibt, dann werden wir nicht so schnell Arbeitsplätze verlieren. Denn es ist ein Unterschied, ob ich in einem Fahrzeug einen Motor verbaut habe, mit Getriebe und unzähligen Bauteilen für die es alle Zulieferer gibt, oder nur einen Elektromotor. Es wundert mich, dass das bisher medial noch nicht thematisiert wurde.

Ein Reizthema ist auch die bevorstehende NoVA-Erhöhung ab 1. Juli. Diese wird erstmals auch leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor betreffen.

Über solch exorbitante Kostenerhöhungen wird der Endkunde mehr bezahlen müssen. Und eines hat das Internet gezeigt: Wenn dadurch letztendlich ein Tischler oder Maler teurer wird, dann engagiert sich der Endverbraucher einen Handwerker aus dem benachbarten Ausland. Hier schießt die Politik leider über das Ziel hinaus. Mir ist wichtig, dass die Arbeitsplätze in dem Land, in dem wir Steuern zahlen, bleiben.

Wir haben ja auch eine sehr junge Bundesregierung. Herr Kurz ist vielleicht halb so alt wie sie. Fehlt es da vielleicht manchmal schlicht an Erfahrung?

Meine 89jährige Mutter hat mir soeben beim Mittagessen das Gleiche gesagt. Glaubst Du, dass die jungen Burschen die gleiche Erfahrung haben, wie einer, der sich jahrzehntelang die Finger verbrannt hat? Das hat mir auch zu denken gegeben.

In der Logistik haben wir jetzt auch noch das Thema mit den Einreisebeschränkungen wegen Corona in Deutschland, teilweise mit einer Kaskade von Rückstaus bis nach Tschechien oder am Brenner in Italien. Ist das überhaupt der richtige Weg, so in die europäischen Lieferketten einzugreifen? Wer zahlt dafür am Ende die Zeche?

Bei unseren Kunden haben wir schon gesagt: wir erfassen die Mehrkosten und werden sie darlegen und dann müssen sie auch bezahlt werden. Wir, mit den dünnen Margen in der Transportbranche, können das jedenfalls nicht mehr schlucken. In der EU sind wir an einem Punkt angelangt, bei dem der linke Arm nicht mit dem rechten spricht. Wenn man sich ansieht, wie das gelaufen ist zwischen Bayern und Tirol – Wenn sich die beiden Herrn zusammengesetzt und miteinander gesprochen hätten, dann wäre vielleicht nicht dieser Blödsinn herausgekommen, dass man wie ein Aussätziger behandelt wird, wenn man aus Tirol kommt.