Interview : Ein krisengebeuteltes 2020 geht zu Ende

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Das Jahr 2020 geht allmählich zu Ende. Die Lkw-Hersteller hatten es in diesem Jahr alles andere als leicht. Schon vor Ausbruch des Coronavirus war die Lage angespannt, die Hoffnungen ruhen jetzt auf einer "Transformation". Beim Traton-Konzern etwa werden jetzt rasch Synergien verschmolzen und die Produktpalette in Richtung alternativer Antriebe transformiert. Zu allem Übel liegen den Nfz-Marken die CO2-Flottenrestriktionen im Magen. Bei Überschreitungen der CO2-Emissionsvorgaben werden bis 2030 satte Strafzahlungen fällig. Die Flotte muss also zwingend "grüner" werden. Sowas geschieht aber nicht von heute auf morgen.

Großes Sorgenkind ist MAN. Traton-Chef Matthias Gründler und MAN-Chef Andreas Tostmann wollen den defizitären Münchner Lkw- und Bushersteller wieder profitabel machen, wollen ihn "transformieren". Um die kostspieligen Restrukturierungsmaßnahmen jedoch finanzieren zu können, wird der Sparstift bei den Arbeitsstellen angesetzt und 9.500 der weltweit 36.000 Arbeitsplätze werden gestrichen. Ironischerweise vor allem in Deutschland und Österreich, also den traditionellen Kernländern des angekratzten Herstellers. Auch bei Scania werden Stellen abgebaut, obwohl das Unternehmen in der Bilanz besser dasteht.

Vom China-Container bis zur heimischen Transportwirtschaft

Abseits von Problemen, die in diesem Krisenjahr gezielt die Nfz-Hersteller betreffen, bekam auch die gesamte Logistikbranche die Auswirkungen der Corona-Krise bald zu spüren. Zu Anfang der Krise offenbarte sich die Fragilität globaler Lieferketten. Die "Just-In-Time"-Produktion, wie sie zum Beispiel die Automobilindustrie anwendet, wurde zu einem Modell, das hinterfragt werden musste. Stichwort Glokalisierung statt Globalisierung.

Der Containerumschlag an den großen europäischen Industriehäfen fuhr aufgrund des chinesischen Lockdowns zurück, schlussendlich wirkte sich das auch auf den Hinterlandverkehr und die Transportwirtschaft in Österreich aus. Der Auftragsbestand sank, ausgerechnet die EPUs bekamen das mit voller Härte zu spüren. Nun ist noch nicht richtig absehbar, wie das kommende Jahr aussehen wird. Stark abhängig ist das insbesondere von am Markt erhältlichen Vakzinen und der Durchimpfungsrate innerhalb der Bevölkerung. Für Wirtschaftsexperten zeichnet sich jedoch deutlich ab: Bislang hinausgezögerte Insolvenzen werden im kommenden Jahr tatsächlich eintreten.

Alfred Wolfram, Obmann des Fachverbandes Spedition und Logistik in der Wirtschaftskammer Österreich sagte diesbezüglich: „Diese Zukunftsprognose ist äußerst bedenklich und wirft einen Schatten bis ins Jahr 2021.“ Die Angst vor einer nachhaltigen Rezession ist jetzt groß. Maßnahmen der Politik sind jetzt besonders wichtig und erwünscht. TRAKTUELL sprach mit Alexander Klacska, dem WKÖ-Bundespartenobmann für Transport und Verkehr, und wie er das das heurige Krisenjahr empfunden hat.

TRAKTUELL: Die Transporteure sind mit der derzeitigen Situation weiterhin unzufrieden und Sie haben erst wieder kürzlich Maßnahmen aufgezeigt, die seitens der Politik rasch ergriffen werden sollten, um den Fahrerberuf zu attraktiveren und die Bedingungen generell zu verbessern. Was liegt Ihnen da besonders am Herzen Herr Klacska?

Alexander Klacska: Die Unzufriedenheit ist berechtigt. Denn von der Investitionsprämie als Einziges ausgeschlossen zu werden, einer Maßnahme die dazu dient, die Konjunktur anzukurbeln und nicht um klimapolitische Ziele umzusetzen, ist ein Schlag ins Gesicht einer der Branchen, die als Helden, als Systemerhalter gefeiert wurden. Und es war mit Sicherheit für die Branche keine einfache Zeit und die Einbrüche im Transportgewerbe liegen in ähnlicher Dimension wie in den anderen Wirtschaftsbereichen, die gerade stark unter Druck stehen.

Wir als Transporteure drängen aber weiterhin auf eine Stilllegungsprämie - eine ökologische und konjunkturelle Maßnahme, die gerade jetzt sinnvoll ist. Eingezahlt haben wir dafür über die Jahre auch genug. Über die Einhebung der Gebühren für externe Kosten, die den Staat verpflichte, diese im Sektor zu belassen, sind weit über 70 Millionen Euro einbezahlt worden. Jetzt ist die Zeit reif, den Verpflichtungen nachzukommen.

TRAKTUELL: Gerade zu Anfang des Lockdowns im März wurden Lkw-FahrerInnen als "Systemerhalter" groß gefeiert. Was ist denn Ihrer Meinung nach von dieser Euphorie geblieben. Hat ein generelles Umdenken In Sachen Wertschätzung dieses Berufes stattgefunden oder stehen „die Räder wieder still"?

Alexander Klacska: Leider hat sich nicht viel geändert nach dem ersten Lockdown. Man hat zwar gesehen wie wichtig es ist, dass die Ver- und Entsorgung in und für Österreich funktioniert, ist dann aber wieder zur Tagesordnung übergegangen. Meine Sorge ist es nun, dass in diesen herausfordernden Zeiten Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele gesetzt werden, die das System nachhaltig schädigen und wir uns dadurch in der Selbstversorgung "Made in Austria“ deutlich schwächen.

Viel wird davon geredet Österreich resilienter zu machen, wenn es um die Produktion geht. Aber denken wir das bitte zu Ende. Wie kommen diese Dinge dann an den Ort des Bedarfs, zu den Haushalten, zu den Spitälern, wenn immer mehr Fahrzeuge aus dem Straßenverkehr verschwinden sollen?

TRAKTUELL: Home-Office ist ein Begriff, der für den Fahrerberuf keine Relevanz hat, andererseits ist der Fahrerberuf gerade jetzt von allerhöchster Wichtigkeit. Zeigt sich das vielleicht auch an einer stärkeren Nachfrage nach diesem Beruf?

Alexander Klacska: Es gibt in Österreich nicht viele "Corona-sichere" Arbeitsplätze, doch die Fahrerkabine ist einer davon. Trotz rasant steigender Arbeitslosenzahlen zeigen immer noch sehr wenige Menschen eine Bereitschaft für diesen Arbeitsplatz. Daher halten wir auch an unserem Modell der dualen Ausbildung mit Lkw-Lenkberechtigung mit 17 Jahren fest. Dies ist eines der Puzzleteile in unserer Arbeitsmarktinitiative.

TRAKTUELL: Das Wochenendfahrverbot wird für den Schwerverkehr trotz eines weiteren Lockdowns nicht gelockert. Erachten Sie das als angemessen?

Alexander Klacska: Wir sehen, dass es aktuell keine Hamsterkäufe gibt - nicht einmal beim Klopapier. Und die Situation an den Grenzen zeigt aktuell auch kein besorgniserregendes Bild. Wichtig wird es aber sein, dass wir in Europa deutlich einheitlichere Regelungen bekommen - was Berufspendler betrifft, vor allem bei Wochenpendlern.

TRAKTUELL: Die Diskussion kam in diesem Jahr wieder verstärkt auf: Welchen alternativen Antrieb sehen Sie beim Schwerverkehr persönlich als besonders sinnvoll an?

Alexander Klacska: Ich sehe die Potentiale der verschiedenen Antriebe nach deren technologischer und wirtschaftlichen Entwicklung. Aktuell könnten wir gasbetriebene Fahrzeuge einsetzen, wenn es eine Entlastung bei der Lkw-Maut nach deutschem Vorbild geben würde. Eine zusätzliche Biogas-Beimengung könnte so leicht über 30 Prozent Einsparung bei den CO2-Emissionen bringen. Und dies vorrangig im Regional- und Zustellverkehr, wo mit wenig Infrastrukturinvestition das Maximum an "grüner Fahrleistung" herausgeholt werden könnte.

Nur nebenbei: Wenn Österreich den gasbetriebenen Lastwagen nicht wettbewerbsfähig macht, werden wir zusätzlichen Dieselkraftstoff nach Österreich importieren müssen und das bringt wieder mehr CO2 in die Atmosphäre. Noch finden Gas-Lkw kein ausreichendes Tankstellennetz vor und auch keine wirtschaftliche Basis für den gefahrenen Kilometer in Österreich.

Langfristig erachte ich das Potential der Wasserstoff/Brennstoffzellen-Technologie als groß. Dies wird aber dauern. Jedoch sehe ich jetzt schon regionale Potentiale in der Verknüpfung mit dem öffentlichen Verkehrsnetz. Würde man in Regionen, wo die elektrischen Netze nicht verfügbar sind, um kleinere Flotten rasch zu laden, die Betankungsinfrastruktur und Energieversorgung getrennt von der Fahrleistung ausschreiben, hätte man eine Lösung des Henne-Ei-Problems.

TRAKTUELL: Was hat Sie in diesem Jahr besonders geärgert und was sogar positiv überrascht?

Alexander Klacska: Ich war positiv überrascht wie gut und reibungslos in der Phase des ersten Lockdowns die Lockerung vieler Bereiche funktioniert hat. Und hier geht mein großes Dank an alle, die mitgewirkt haben, ob im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie oder auch im Bundesministerium für Inneres. Stolz bin ich nach wir vor auf die ganze Verkehrsbranche, auf alle Unternehmen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unabhängig des Verkehrsmodi und wie professionell unter schwierigsten Bedingungen das erfüllt wurde was von uns erwartet wurde: Nämlich Österreich im wahrsten Sinn des Wortes durch die Krise zu tragen.

Was mich besonders ärgert ist natürlich, dass man jetzt so tut, als ob dies eine Selbstverständlichkeit ist. Albert Einstein sagte einmal, wenn die Biene stirbt, stirbt auch der Mensch. Ich möchte dies auf die Wirtschaft umlegen: Wenn das letzte österreichische Kennzeichen an einem Lastwagen abmontiert wird, wird in Zeiten von Krisen keiner mehr da sein, der die Menschen in diesem Land mit dem Nötigsten versorgt.

TRAKTUELL: Herzlichen Dank für das Gespräch.