Umweltfreundliche Mobilität : Wasserstoff: Power-to-Gas-Anlage in Deutschland

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Die Elektrolyseanlage im baden-württembergischen Grenzach-Wyhlen wird zu einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten „Reallabor der Energiewende“ ausgebaut. Damit verbunden ist eine Erweiterung der elektrischen Leistung von einem auf sechs Megawatt. Partner des Projekts mit dem Namen „H2-Wyhlen“ sind die Energiedienst AG gemeinsam mit der EnBW, das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), das Industriegase-Unternehmen Messer Group sowie die gemeinnützige Gesellschaft für Kommunikations- und Kooperationsforschung „Dialogik“.

Das zukunftsweisende Vorhaben soll den erzeugten Wasserstoff sektorübergreifend in die Energieinfrastruktur vor Ort integrieren. Für das ZSW steht auf der technischen Ebene die Entwicklung serientauglicher, in große Leistungsklassen skalierbarer Elektrolyse-Technologien im Fokus. Daneben werden Geschäftsmodelle für grünen Wasserstoff analysiert. Ziel ist, den Markthochlauf der grünen Wasserstofftechnologie zu beschleunigen. Die Forschungsförderung beträgt insgesamt rund 13,5 Millionen Euro.

Das Reallabor startet am 1. Januar 2021, die Projektlaufzeit beträgt fünf Jahre. Danach soll sich der Anlagenbetrieb wirtschaftlich selbst tragen. Im Fokus der ZSW-Arbeiten steht die Elektrolyseentwicklung. „Wir wollen die Basis zur Hochskalierung der Technologie schaffen, damit die Kosten sinken und der Markt sich entwickeln kann“, sagt Dr. Marc-Simon Löffler, Leiter des ZSW-Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren. „Damit unterstützen wir deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb um die Marktführerschaft bei Power-to-Gas. Denn grüne Wasserstofftechnologie aus Deutschland soll künftig weltweit zum Einsatz kommen.“ Da erneuerbarer Wasserstoff essenziell für das Erreichen von Klimaneutralität ist, muss dieser Markt künftig stark wachsen.

Grünen Wasserstoff in die lokale Energieinfrastruktur integrieren

Die bereits bestehende Power-to-Gas-Anlage der Energiedienst AG mit einer elektrischen Anschlussleistung von derzeit noch einem Megawatt erzeugt mit dem Strom aus dem Rhein-Wasserkraftwerk in Wyhlen erneuerbaren Wasserstoff. Ein Monitoringsystem des ZSW vermisst alle wesentlichen Komponenten und Subsysteme. An diese kommerzielle Anlage ist ein ZSW-Forschungselektrolyseur angebunden, mit dem neue Elektrolysetechnologien in der Praxisumgebung erprobt werden. Das Land Baden-Württemberg hat die Power-to-Gas-Anlage, die sich seit Ende 2019 im Regelbetrieb befindet, sowie das damit verbundene ZSW-Forschungsprojekt mit einer Fördersumme von 4,5 Millionen Euro unterstützt und damit das Fundament für das jetzt neu entstehende Reallabor gelegt.

Die Projektpartner Energiedienst und EnBW wollen die Leistung der Anlage im Rahmen des Reallabors weiter ausbauen, um zusätzliche Anwendungsfelder für grünen Wasserstoff zu erschließen. Im unmittelbaren Umfeld bieten sich dafür folgende Optionen an: Unternehmen im nahe gelegenen Industrieareal, die Wasserstoff als Rohstoff nutzen. Außerdem Mobilitätsanwendungen, die bei der Umstellung auf Brennstoffzellenantriebe den Wasserstoff unmittelbar vor Ort tanken und nutzen können, etwa Busse und Bahnen des öffentlichen Nahverkehrs sowie der Schwerlastverkehr. Die bei der Erzeugung von Wasserstoff entstehende Abwärme ist zur Wärmeversorgung der neu entstehenden benachbarten Wohnquartiere vorgesehen, wodurch der Gesamtnutzungsgrad der eingesetzten Energien auf bis zu 90 Prozent gesteigert werden kann.

Das ZSW wird das technische Monitoringsystem für den kommerziellen Anlagenteil weiter betreiben und mit dem Ausbau entsprechend erweitern. Zudem entwickelt es wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle für die lokale Verteilung und Nutzung des Wasserstoffs und der Prozesswärme. Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen auch für andere Power-to-X-Standorte nutzbar gemacht werden: So erstellt das ZSW unter anderem einen Kriterienkatalog, mit dem nach technischen und ökonomischen Bewertungsmaßstäben Standorte auf ihre Eignung überprüft werden können.

Kosten der Elektrolyseure senken

Das zentrale Arbeitspaket für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ZSW ist die Weiterentwicklung der alkalischen Wasserelektrolyse hin zu größeren Leistungsklassen und zur Serientauglichkeit. Experten attestieren der alkalischen Elektrolyse aufgrund der Skalierbarkeit ein hohes Kostensenkungspotenzial. Bislang werden die Anlagen zur Erzeugung des Wasserstoffs nur in kleineren Leistungsklassen von bis zu wenigen Megawatt im Manufakturbetrieb hergestellt und sind damit relativ teuer. Für einen wirtschaftlichen Betrieb der Power-to-Gas-Anlagen müssen die Kosten auf wenige hundert Euro pro Kilowatt sinken. Das geht nur mit einer Skalierung in größere Leistungsklassen und einer industriellen, automatisierten Großfertigung.

Das Forschungsinstitut will mit H2-Wyhlen den Weg dahin ebnen. Zu diesem Zweck untersucht und entwickelt es Materialien und Fertigungsmethoden, die diesen Übergang zu serientauglichen, skalierbaren Produktionsprozessen erlauben – etwa fortschrittlich galvanisch beschichtete Elektroden, in Spritzgussverfahren hergestellte Kunststoffzellrahmen oder in den Herstellungsprozess integrierte 3D-Druckverfahren. Die Ergebnisse fließen ein in fertigungsoptimierte Elektrolyseblock-Prototypen in der elektrischen Leistungsklasse bis 500 Kilowatt, die in der Forschungsplattform des ZSW vor Ort in Wyhlen in Realumgebung getestet werden.

Die Wissenschaftler erstellen außerdem ein Konzept für eine großskalige Fertigungsstraße für Elektrolyseblöcke. Dieses Konzept soll einen wichtigen Beitrag zur Auslegung künftiger Fabriken und für den Aufbau der erforderlichen Produktionskapazitäten zur Herstellung von Elektrolyseuren leisten. Neue Materialien, Fertigungsverfahren und mit einem Markthochlauf einhergehende Skaleneffekte könnten die Investitionskosten von Elektrolyseuren signifikant senken. Das würde die marktgerechte Herstellung des Wasserstoffs vorantreiben und erheblich zur Realisierung einer grünen Wasserstoffzukunft beitragen.

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Klimaneutralität ist nur mit Wasserstoff aus Ökostrom möglich

Nach dem Willen der Bundesregierung soll Deutschland bis 2050 klimaneutral sein. Auf europäischer Ebene fordert dies auch die EU-Kommission. Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, ist unverzichtbar, um Strom, Wärme, Mobilität sowie industrielle Prozesse, insbesondere in der chemischen Industrie und in der Stahlindustrie, treibhausgasneutral zu machen.

Zur Erreichung dieser Ziele muss allein in Deutschland im Jahr 2030 eine Elektrolyseleistung von fünf Gigawatt in Betrieb sein. Europaweit sogar 40 Gigawatt. Aktuell sind hierzulande jedoch nur rund 50 Megawatt errichtet, also nur ein Prozent der im Jahr 2030 erforderlichen Leistung und nur gut ein Promille des Ziels für die EU. Damit Deutschland seine für 2030 gesetzten Ziele erreichen kann, ist ein jährlicher Absatz an Elektrolyseuren von 500 Megawatt notwendig. Ein solcher Wert kann nur mit verbesserten Anlagen mit hohen spezifischen Leistungen und aus automatisierter Fertigung erreicht werden.