Automes Fahren : Vollautonomer Minibus „Navya Arma“ im Praxistest

© Ludwig Fliesser

In der Gemeinde Koppl im salzburgerischen Flachgau war mit dem „Digibus“ zum ersten Mal ein vollautonom fahrender Bus über einen Zeitraum von sieben Monaten im Einsatz. Der Minibus des französischen Herstellers Navya fuhr vom Dorfzentrum Koppl zu der etwa 1,4 Kilometer entfernten Bundesstraße, wo auch der Überland-Bus eine Haltestelle hat. Im Testbetrieb bewegte sich das Fahrzeug autonom fort, aus Sicherheitsgründen musste jedoch immer ein Operator an Bord sein. Koppl liegt auf 750 Meter Seehöhe, Ende November lagen die Temperaturen bereits nahe dem Gefrierpunkt. Auf der Fahrt ins Ortszentrum musste der elektrisch angetriebene Bus zudem Steigungen von acht Prozent überwinden.

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TRAKTUELL-Testfahrt mit dem Navya Arma

Wir haben uns kurz vor Ablauf des Pilotversuchs im Rahmen einer Probefahrt selbst ein Bild von dem selbstfahrenden Bus gemacht. Der im Testbetrieb von „Salzburg Research“ eingesetzte Navya Arma DL4 verfügt über elf Sitzplätze. Weitere vier Personen könnten stehend befördert werden, was im Digibus jedoch aus rechtlichen Gründen nicht möglich war. Der an Bord befindliche Operator, der juristisch gesehen auch der Fahrer des Busses ist, musste stets bereit sein einzugreifen. Dazu kann er das Fahrzeug über einen angeschlossenen Spielkonsolen-Controller steuern.

Der Digibus fuhr eine vorprogrammierte Route auf einer öffentlichen Straße ab, die auch von anderen Verkehrsteilnehmern genutzt wurde. Jedes Hindernis zwang den Bus dabei zum Stehenbleiben und konnte auch nicht autonom umfahren werden. In diesem Fall musste der Operator das Fahrzeug mittels des angeschlossenen Spielkonsolen-Controllers manuell um das Hindernis lenken. Ebenso konnte der Bus nicht ohne vorherige Freigabe nach links abbiegen und den Gegenverkehr queren. Auch das Ausfahren aus den Haltestellen musste jedes Mal vom Operator explizit angewiesen werden. Damit konnte also von einem vollautonomen Fahrzeug nicht wirklich die Rede sein.

„Eine Erkenntnis ist, dass so ein Fahrzeug momentan definitiv noch nicht für den Linienbetrieb einsetzbar ist und auch nicht autonom, ohne Begleitperson“, erzählte uns DI Mag.(FH) Cornelia Zankl von Salzburg Research. „Es gibt viele Fahrmanöver, die der Bus noch nicht autonom ausführen kann.“

Abgesehen davon kämpfte der Navya Arma während unserer Probefahrt auch mit Fehlfunktionen: Der Bus machte ohne ersichtlichen Grund mehrere ruckartige Bremsmanöver, manchmal verweigerte er einfach die Weiterfahrt. Schwer irritierend war auch, dass er beim Ausfahren aus einer Haltestelle bergauf plötzlich begann, wieder bergab nach hinten zu rollen. Angesichts der steilen Straße hätten wir uns in dieser Situation als Passagier doch lieber eine mechanische Hand-Notbremse gewünscht, anstatt eines elektrischen Notbremsknopfs.

Zur Ehrenrettung des Navy sei gesagt, dass es bei unserer Testfahrt regnete – angeblich funktioniert das autonome Fahren bei trockenem Wetter besser. So oder so wird aber noch einiges an Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten sein, bevor man ein derartiges Gefährt auch ohne menschlichen Operator an Bord auf die Bevölkerung loslassen kann. Ein echter, fahrerloser Linienbetrieb mit dem Navya Arma wird jedenfalls noch einige Jahre auf sich warten lassen. Weitere Versuche liefen bzw. laufen schon in der schweizerischen Stadt Sitten und der Glückspielmetropole Las Vegas. Sowohl in der Schweiz als auch in den USA ist es im Betrieb dabei zu Unfällen gekommen, verletzt wurde aber niemand. In der Schweiz hatte der Bus eine geöffnete Ladeklappe eines Kleintransporters nicht als Hindernis wahrgenommen, in Las Vegas ist er mit einem Sattelschlepper kollidiert – daran soll das Fahrzeug jedoch keine Schuld gehabt haben.

Die letzte Meile im Personenverkehr

Das Ortszentrum von Koppl liegt rund 1,4 Kilometer von der Bundesstraße und damit der wichtigen Linienbusverbindung zwischen Salzburg und Bad-Ischl entfernt. Zudem ist die Straße zum Dorf mit Steigungen von bis zu acht Prozent auch sehr steil. Vor allem für ältere Menschen oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität stellt dies eine entscheidende Hürde beim Zugang zum öffentlichen Verkehrsnetz dar. Das Passagieraufkommen ist jedoch nicht hoch genug, um diese letzte Meile zu vertretbaren Kosten zu erschließen. Die im Eigentum des Landes befindliche Forschungsgesellschaft „Salzburg Research“ teste daher den Zubringer-Verkehr mit einem autonomen Fahrzeug. Ein solches könnte irgendwann einmal, wenn die Technik sich weiterentwickelt, eine wirtschaftlich tragbare Lösung für wenig befahrenen Kurzstrecken darstellen.