E-Mobilität : VDL: Batteriebusse „en gros“

Symbolträchtig: Der VDL-Gelenkbus mit Elektroantrieb passiert auf separater Busspur eine Dieselvariante. Im Hintergrund das Evoluon ein futuristischer Bau einst von Philipps als Museum betrieben
© J. Görgler

Die Niederländer stehen nicht selten ganz vorne, wenn es um innovative Entwicklungen geht. So auch bei der Umstellung auf einen schadstofffreien ÖPNV. Da gibt es kein Zaudern, bis sich – über die übliche Bezuschussung hinaus – vielleicht mal Mittel aus irgendeinem EU-Topf kreieren lassen; vielmehr wird angepackt und gerechnet, wie man das Projekt unter kaufmännischen Aspekten realisieren kann. So auch in Eindhoven, wo die Transdev-Tochter Hermes seit letzten Dezember 43 (!) Gelenkbusse mit Batterieantrieb einsetzt. Anlass war die Vorgabe der Provinz Nord-Brabant, bis 2025 den ÖPNV komplett auf Nullemissionsbusse umzustellen. Eindhoven, die größte Stadt der Region, soll Vorreiter sein. Damit sich die Mehrkosten bei der Fahrzeugbeschaffung rechnen, hat die Provinzregierung für den E-Bus-Betrieb Konzessionen über eine Dauer von zehn Jahren ausgeschrieben. Darüber hinaus haben Betreiber und Bushersteller VDL gemeinsam Millionen in Planung, Ladestruktur sowie einen intensiven Support investiert – was notwendig und weitsichtig zugleich war; denn die Einführung von Batteriebussen erfolgt Phasenweise. So können Erfahrungen aus dem aktuellen Betrieb kontinuierlich in die Weiterentwicklung der E-Bus-Systeme einfließen.

[Bild:2] Futuristisches Design, kurze Taktzeiten Die 18,2 m langen „E-Worker“ von VDL (Citea SLFA Electric) fallen nicht nur durch ihr futuristisches BRT-Design mit rot-schwarzen Farbelementen auf, sondern auch durch ihren leisen Betrieb – allenfalls unterbrochen von Warnsignalen an Haltestellen, Kreuzungen oder sonstigen heiklen Bereichen. Die Verbindung zwischen Airport, zentralem Omnibus-Bahnhof und der Technischen Universität Eindhoven erfolgt über Hochfrequenzlinien mit kürzesten Taktzeiten.

Für TRAKTUELL bestand Gelegenheit, einen der batteriebetriebenen Gelenkbusse selber „zu erfahren“. Mit einem 210 kW starken Zentralmotor von Siemens ausgerüstet, ließ sich der 29-Tonner (18,15 m, Leergewicht 18,3 t, Kapazität 130 Fahrgäste) in und um Eindhoven zügig bewegen. Das Handling ist gut, die programmierte Rekuperation bremst den Gelenkzug behutsam ab, sobald man vom Gas geht. Die so gewonnene Energie kommt nicht nur den Akkus zugute, sondern fließt auch in das Klimasystem mit Wärmepumpe. Bei starker Kälte kommt eine Zusatzheizung mit Biodiesel zum Einsatz.

Neun Batterieblöcke dienen als Speichereinheiten, die gemeinsamen mit weiteren Modulen zur Stromversorgung auf dem Dach installiert sind. Die Gesamtleistung von 180 kWh reicht etwa für 130 km Linienbetrieb, die jedoch zwecks Reserven und zur Schonung der Batterien nicht ausgereizt werden, zumal das Maximum der Routen mit 65 km (3 Std.) angegeben ist. Je nach Bedarf kommen die Busse ins Depot und „tanken“ an Schnellladestationen mittels Pantograph nach, wobei drei Stunden Laden eine Fahrleistung von 75 km ergeben; wird weniger benötigt, geht´s auch schon mal nach nur 30 Minuten wieder zum Einsatz. Auf weitere Ladestationen, etwa an den Endhaltestellen, kann somit verzichtet werden, wodurch sich Kosten einsparen lassen. Hektik für die Fahrer ist ausgeschlossen, denn über das zentrale Infodisplay lässt sich der Ladezustand jederzeit ablesen und selbst bei „0“ sind genug Reserven vorhanden, um die Fahrt sicher zu beenden.

[Bild:3] Betriebshof „unter Strom“ Der zentrumsnah gelegene Hermes-Betriebshof steht seit vorigem Jahr mehrfach unter Spannung: Zum einen sollte der Wechsel auf die Elektrobusse für Fahrer und Fahrgäste reibungslos erfolgen, zum anderen wurden Gelände und Fahrzeughalle für den Betrieb mit Batteriebussen ausgerüstet. Und das nicht zu knapp, denn es gibt bereits 32 Ladestationen, wovon 10 mit jeweils 300 kW für Schnellladungen ausgelegt sind. Alle weiteren Stationen arbeiten im Schongang mit 30 kW für das Laden über Nacht. Geplant sind insgesamt 42 Ladestationen, davon dann 20 mit 300 kW Ladeleistung, die sukzessive mit dem weiteren Ausbau der E-Bus-flotte installiert werden.

Das Andocken mittels Pantographen hat sich in der Praxis als zuverlässig erwiesen. So sind die an Masten aufgehängten Hauben etwa 90 x 100 cm groß, so dass die Fahrer nach rechts und links jeweils einen Spielraum von 50 cm haben; durch die abgeschrägten Flächen findet der Pantograf schnell den Kontakt in der Mitte. Meldet das System dennoch einen Fehler, hat der Fahrer zwei weitere Anfahrversuche, danach wird automatisch das Serviceteam von VDL informiert, so dass eine zeitnahe Reaktion ohne Einbußen im Umlaufplan erfolgt. Notfalls stehen Ersatzfahrzeuge bereit, da grundsätzlich nur 39 der 43 neuen Gelenkbusse gleichzeitig im Einsatz sind. Ein Monitoring mittels Internet ist in Vorbereitung, so dass sich künftig Disponent und Serviceteam online über die Funktion der Flotte informieren können.

[Bild:4] Bahnstrom angezapft Ein abgeschlossener Bereich in der Fahrzeughalle bildet das Herzstück der Anlage; mit zahlreichen Transformatoren und noch leeren Reihen, die bereits auf die komplette Umstellung bis Ende 2024 ausgerichtet sind. Der nötige Strom wird über eine Kabelanbindung vom angrenzenden Bahnbetrieb „abgezapft“, wo ausreichend Reserven vorhanden sind. Dies scheint eine ausgesprochen rationelle Lösung zu sein, die sich, die nötige Bereitschaft vorausgesetzt, auch in anderen Regionen und Ländern anbieten dürfte. Denn die Stromversorgung ist immer wieder ein heikles Thema bei der Umstellung auf E-Bus-Flotten. Ganz wichtig: Da im Depot mit Starkstrom hantiert wird, hat man bei der Planung Feuerwehr und Polizei mit eingebunden.

[Bild:5] Überzeugende Darstellung Die enge Zusammenarbeit mit Hermes – VDL obliegt die Systemverantwortung – hat dazu beigetragen, dass die E-Busflotte mit einer Verfügbarkeit von 95 Prozent glänzen kann. Lohnend dürfte der Weg nach Eindhoven für interessierte Busbetreiber sein – im Hermes-Depot gibt man sich offen. Zudem verfügt VDL Bus & Coach mit Sitz im nahem Valkenswaard durch seine bisherigen E-Bus-Aktivitäten über viel Erfahrung. Jüngster Großauftrag: 100 SLFA Electric Gelenkbusse für den ÖPNV-Betreiber Connexxion.

[Bild:6] Vielseitig aufgestellt: VDL Bus & Coach Das Stadtbus-Segment umfasst die Baureihe Citea in Niederflur- und Low-Entry-Bauweise als Solo- und Gelenkvarianten in den Längen 9,95 bis 18,75 m; darunter auch die speziellen LLE-Typen in Leichtbauweise mit reduziertem Gesamtgewicht. Es werden ausschließlich stehende Motoren von Cummins und DAF sowie Getriebeautomaten von ZF und Voith verwendet. Nahezu genauso vielseitig ist die Palette an Citea-Elektrobussen („E-Worker“), die von den Dieselvarianten abgeleitet worden sind. Darüber hinaus zählen die Hochboden- und Reisebusse vom Typ Futura in drei Bauhöhen (einschl. Doppeldecker) und in den Längen 10,6 bis 14,2 m zum Angebot (DAF-Motoren, ZF-Getriebe). Mini– und Midibusse (Basis MB Sprinter, VW Crafter) in Stadt- und Clubausführung sowie Taxi- und Rollstuhlfahrzeuge runden die Palette ab. Für Aufbauer liefert VDL Fahrgestelle in modularer Ausführung.

Ansprechpartner für den Vertrieb in Österreich ist Karl H. Martin (k.martin@vdlbuscoach.de), der in die Organisation der deutschen Niederlassung in Büren integriert ist. Das Service- und Werkstattnetz in Österreich umfasst derzeit 10 Werkstattpartner landesweit und wird sukzessive ausgebaut. VDL verspricht – auch international – eine schnelle Ersatzteilversorgung.