Wirtschaft : Standortgarantie für Steyr: MAN weist Vorwurf des Vertragsbruchs zurück

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Der Investor Siegfried Wolf hat offenbar sein Angebot adaptiert und lädt die Betriebsräte der MAN Truck & Bus Österreich zu Gesprächen ein, wie sein Sprecher gegenüber TRAKTUELL bestätigt. Über den gesamten Prozess sei von beiden Seiten Stillschweigen vereinbart worden. Offenbar kann sich auch der Raiffeisen-Konzern vorstellen, bei der Finanzierung von Wolfs Übernahmeplänen an Bord zu sein. Gleichzeitig zeigt das Green-Mobility-Konsortium rund um den Linzer Unternehmer Karl Egger weiterhin Interesse am Standort und will mit MAN in München eine Vertraulichkeitserklärung zur Aufnahme weiterer Gespräche abgeschlossen haben, sollten die Verhandlungen mit Wolf scheitern.

Während die Hoffnung auf einen Fortbestand des Produktionsstandorts also weiterlebt, hat man in München nach dem Votum der Belegschaft gegen die Übernahme durch Wolfs WSA Beteiligungs GmbH die Weichen in Richtung Werksschließung gestellt. Der Konzern hatte zuletzt allerdings durchblicken lassen, dass man sich Nachnutzungskonzepten nicht prinzipiell verschließen würde. Betont wurde jedoch stets das enge Zeitfenster und die Tatsache, dass das Werk nicht an einen direkten Konkurrenten verkauft wird. Damit würde der tschechische Lkw-Hersteller Tatra, der einst Interesse am Standort angemeldet hatte, von vornherein ausscheiden.

Streit um Standortgarantien

Ein Zankapfel zwischen der MAN Konzernführung, Gewerkschaft und Betriebsrat bleiben weiterhin die Standortgarantien für Steyr. Im Rahmen einer Betriebsvereinbarung hatte MAN sich erst im Jahr 2019 zur Fortführung der Produktion bis 2030 und einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen verpflichtet. Nachdem im Sommer 2020 die Spitzen des Konzern-Managements ausgetauscht worden waren, wurden diese Standort- und Beschäftigungsgarantien im Herbst einseitig aufgekündigt. Verwiesen wurde dabei auf eine wirtschaftliche „Schlechtwetterklausel“ und Absatzeinbrüche im Lkw-Geschäft sowie nötige und kostspielige Investitionen in die Entwicklung alternativer Antriebstechnologien. Der Betriebsrat wollte das nicht gelten lassen und klagte dagegen beim Arbeitsgericht München. Das Verfahren ist weiterhin anhängig, ein neuer Verhandlungstermin wurde bis jetzt allerdings noch nicht anberaumt. Seitens des Betriebsrats hatte es zuletzt geheißen, dass das Verfahren bis Herbst 2021 ausgesetzt sei. MAN wollte sich zu laufenden Verfahren grundsätzlich nicht äußern.

Gewerkschaftsanwalt wirft MAN Vertragsbruch vor

Nach der Auffassung von Hannes Jarolim, dessen Kanzlei den ÖGB und den Betriebsrat des Werks Steyr vertritt, gelten die Standortgarantien wie ursprünglich vom Konzern abgegeben bis Ende 2030 und sind rechtsverbindlich. Die rund 2.300 Arbeitnehmer könnten demnach ihre Ansprüche bis Ende 2030 einklagen. Das Gleiche gelte auch für Investitionszusagen der MAN für den Standort. In Summe soll es demnach um Ansprüche in Höhe von mindestens 1,5 Mrd. Euro gehen.

„Es ist zur Kenntnis zu nehmen, dass sich das Management von MAN und Volkswagen nur wenige Monate nach Abschluss der Betriebsvereinbarungen Ende 2019 nicht mehr an diese gebunden fühlen will. Damit werden sie gegenüber den Arbeitnehmern in Steyr vertragsbrüchig. An der rechtlichen Qualität der Standortgarantien und den Ansprüchen der Arbeitnehmer ändert das aber nichts“, teilt Jarolim Partner per Aussendung mit.

Das will man in München so nicht auf sich sitzen lassen: „Den Vorwurf des Vertragsbruchs weist MAN zurück. MAN hat vertragsgemäß gehandelt und sich wortgenau an die getroffenen Vereinbarungen gehalten. Die Beendigung der Vereinbarungen war rechtmäßig und rechtswirksam. Das wurde durch mehrere rechtliche Gutachten, unter anderem vom renommierten Prof. Dr. Kietaibl, bestätigt. Die Unterstellung eines Vertragsbruchs entspricht nicht den Tatsachen und ist schlichtweg falsch“, so die MAN Truck & Bus SE.

Jarolim beruft sich auf den Umstand, dass die Investitions- und Standortgarantien im Rahmen der Betriebsvereinbarung im Austausch gegen Zugeständnisse der Belegschaft erfolgt waren. Die Arbeitnehmer wären demnach im Vertrauen auf die Zusagen von MAN in Vorleistung gegangen. Wie uns ein Mitarbeiter am Standort bestätigte, hätten viele Arbeitnehmer, nicht zuletzt aufgrund der garantierten Arbeitsplatzsicherheit, auch private Investitionen getätigt, etwa Grundstücke gekauft und Häuser gebaut. Diese Menschen würden laut Jarolim nun „im Regen stehen gelassen“.

Ganz ähnlich hatte zuletzt auch der unabhängige Zivilrechtsexperte und Rektor der Johannes Kepler Universität in Linz, Meinhard Lukas, argumentiert. Nachdem es von Arbeitnehmerseite offenbar auch eine Gegenleistung für den Kündigungsverzicht gegeben hat, sei dieser nach seiner Rechtsauffassung impliziter Bestandteil jedes individuellen Arbeitsvertrags geworden. Unabhängig vom laufenden Verfahren in München über die Rechtmäßigkeit der Aufkündigung der Standortsicherungsverträge an sich, könnten also auch gekündigte Mitarbeiter individuell auf Entschädigung klagen.

Auftragsrekord bei Traton

Im Jahr 2020 musste MAN, so wie die gesamte Branche, einen deutlichen Absatzrückgang im Nutzfahrzeuggeschäft hinnehmen. Inzwischen geht es aber wieder deutlich aufwärts. So hat sich das heurige Jahr für den Traton-Konzern, der wiederum zum Volkswagen-Konzern gehört und zu dem neben MAN auch die Marke Scania zählt, bislang prächtig entwickelt. Der Auftragseingang im ersten Quartal 2021 ist im Vergleich zum Vorjahresquartal um 51 % auf 81.700 Fahrzeuge gestiegen. Am meisten profitieren konnte davon das Lkw-Geschäft bei dem der Auftragseingang inklusive des Vans MAN TGE um 62 % auf 78.700 Fahrzeuge angewachsen ist. Pandemiebedingt stark rückläufig ist lediglich das Busgeschäft mit einem Auftragsrückgang von 46 % auf 3.000 Fahrzeuge.

Diese Entwicklung stimmt den Konzern optimistisch: „So rasch wie die Pandemie vor einem Jahr das Nutzfahrzeuggeschäft getroffen hat, so rasch geht es nun mit den Bestellungen unserer Kunden wieder aufwärts. Ein Grund dafür ist der Erfolg unserer neuen Lkw-Generationen bei den Kunden. 81.700 Aufträge innerhalb eines Quartals sind das beste Ergebnis, das die Traton Group bislang erzielt hat“, sagte Traton-CEO Matthias Gründler.

Ob und welche Auswirkungen diese positive Entwicklung auf die Zukunft des Werks Steyr hat, ist unklar. Gegenüber der APA dämpft die MAN-Mutter Traton jedenfalls die Hoffnungen über einen Fortbestand des Werks und Spekulationen über Nachverhandlungen mit einem Investor: „Wir sind klar auf dem Weg, Steyr zuzumachen“, so Gründler.

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