Elektrokleinbus : Sicherer Transport mit geringer Geschwindigkeit

© Bosch

Wer schon einmal das Vergnügen hatte, in einem automatisierten Elektrominibus mitzufahren, der weiß, dass die Reise nicht allzu schnell vonstatten geht. Das braucht es im Regelfall auch nicht, dienen die reinen Elektro-Gefährte doch nur dazu, kurze Distanzen zu überwinden und einen vorgegebenen Kurs zur fahren. Auf der Transport Research Arena (TRA) vor zwei Jahren, konnten wir das letzte Mal selbst mit einem automatisierten Shuttle mitfahren.

Dennoch kann es sogar in den besten Systemen schon mal zu Fehlern kommen, die dann zu Abweichungen oder gar Ausfällen führen können. Automatisierte Shuttles sind hier nicht die Ausnahmen. Dass die beförderten Personen ihren Weg nicht zu Fuß fortsetzen oder Güter auf ein anderes Fahrzeug umgeladen müssen, ist Schwerpunkt eines geförderten Forschungsprojekts, an dem auch Automobilzulieferer Bosch beteiligt ist. Nun können erste Ergebnisse durch das Projekt "3F" vorgelegt werden.

Schwerpunkt liegt auf Ausfallsicherheit

Hinter dem Projekt 3F verbirgt sich der Name „Fahrerlose und fehlertolerante Fahrzeuge im Niedriggeschwindigkeitsbereich“ - und das ist auch, worum es geht. Der Fokus liegt auf der Ausfallsicherheit automatisierter Shuttle-Fahrzeuge.

„Ziel war, Lösungen zu erarbeiten, damit automatisierte Shuttle-Fahrzeuge sicher unterwegs sind, auch wenn es zu einer technischen Störung kommt oder plötzlich Hindernisse auftauchen“, erklärt Steffen Knoop, Projektleiter in der Forschung und Vorausentwicklung beim Zulieferer Bosch.

Gerade, wenn es um Automatisiertes Fahren geht, ist das Thema Sicherheit ein ausschlaggebendes Kriterium, welche Akzeptanz derartige technologische Entwicklungen in Zukunft erfahren werden. Im Falle dieses Forschungsprojekts ging es darum, dass bei einem Fehler das System nicht komplett ausfällt, sondern das Fahrzeug weiterfahren kann.

„Fahrerlose Shuttle-Busse müssen andere Voraussetzungen erfüllen als beispielsweise hochautomatisierte Pkw“, erläutert Bosch-Projektkoordinator Thomas Schamm.

Shuttle-Fahrzeuge können nur dann ohne (Sicherheits-) Fahrer zum Einsatz kommen, wenn sie selbstständig ihr System überwachen - also Diagnoseaufgaben durchführen - und erkannte technische Störungen bewältigen und weiterfahren können.

Zugleich müssen sie bei kritischen Fehlern das System in einen sicheren Zustand überführen und beispielsweise stoppen. Doch wie lässt sich das realisieren? Hier sind nun die Lösungsansätze der Forscher.

Redundante Energieversorgung und Sensorik

Das Forschungskonsortium, an dem neben Bosch auch StreetScooter und die RWTH Aachen beteiligt ist, hat den Lösungsansatz "Redundanz", also das Vorhandensein sicherheitsrelevanter Funktionen in doppelter Ausführung ausfindig gemacht. So haben die Forscher zum Beispiel redundante Systeme zur Stromversorgung entwickelt, damit Elektroantrieb und Bordnetz zuverlässig abgesichert sind.

Um Hindernisse zuverlässig erkennen zu können, wurden sogenannte Lidar- und Radarsensoren an unterschiedlichen Stellen des Fahrzeugs angebracht. Somit kann das Umfeld aus verschiedenen Positionen beobachtet werden. Es lässt sich eine 360-Grad-Rundumsicht erreichen und tote Winkel vermeiden. Nicht nur Hindernisse auf der Straße wie Schranken werden so erkannt, sondern etwa auch herabhängende Äste.

Erkennen, einordnen, Fahrverhalten anpassen

Ein weiterer Lösungsansatz umfasst die Fehlertoleranz des automatisierten Shuttle-Fahrzeugs. Es geht um die stückweise Kompensation eines Teilsystemausfalls durch andere Funktionen.

In der Praxis sieht das so aus: Ist es der Elektrominibus in einem Teilbereich "blind", weil Blätter vor dem Sensor kleben oder ein großes Objekt wie ein Müllcontainer die Sicht in eine Richtung komplett versperrt, verlangsamt er seine Fahrt oder spart die nicht mehr erkennbaren Bereiche auf der Route aus.

Die Fahrzeuge sollen zudem langsamer werden, wenn sich bewegliche Objekte nähern oder unbekannte Gegenstände im Zweifel großzügig umfahren. Bei wiederkehrenden Wegmarken wie Laternen wiederum setzen sie die Fahrt in unverminderter Geschwindigkeit fort. Ist Gefahr im Verzug, verordnet sich das Shuttle sicherheitshalber einen Stopp.

Das Ziel: Das Fahrzeug passt sein Fahrverhalten in Echtzeit den Gegebenheiten an, setzt aber seinen Weg nach Möglichkeit auch bei Störungen im System oder trotz Hindernissen auf der Strecke selbsttätig fort.

Telemetrie hoch drei, Anwendung hoch zwei

Mittels Telemetrie können Daten über die aktuelle Fahrt und den technischen Zustand aus dem Fahrzeug heraus und an das Fahrzeug zurück übertragen werden. Dabei werden Informationen dreier Funktionen ausgetauscht: Diagnose, Überwachung, Steuerung.

Darauf basierend könnte künftig per Leitstelle ein ganzer Fuhrpark an automatisierten Shuttle-Bussen aus der Ferne kontrolliert, bei Bedarf repariert oder gesteuert werden, um beispielsweise Türen zu öffnen. So ließen sich die Fahrzeuge unterstützen, falls sie in Sachen Fehlererkennung und Fehlerkompensation doch einmal an ihre Grenzen kämen oder auch ganz planmäßig eine Wartung benötigten.

Einsatz auch in Logistikprozessen denkbar

Die im Projekt erarbeiteten Lösungen lassen sich nicht nur in fahrerlosen Shuttle-Bussen einsetzen, sondern ermöglichen auch die robuste Unterstützung von Logistikprozessen. Es wurde ein Assistenzsystem im Zusammenspiel zwischen Fahrer und Fahrzeug entwickelt, welches eine hochgenaue Positionierung von Wechselbrückenhubwagen - Spezialfahrzeuge zum Versetzen von Containern in Logistikzentren - ermöglicht.

Ziel war, die Fahrzeuge zentimetergenau unter Containerbrücken zu bewegen, um so die Transportbehälter schnell aufzunehmen. Dazu sind eine genaue Lokalisierung und eine Art automatisiertes Einparken unter der Brücke notwendig. In der Praxis ermöglicht dieses automatisierte Manöver ein fehlerfreies Aufnehmen und Positionieren der Container.

Erprobt wurden die Entwicklungen auf mehreren Testrecken: Mit zwei Shuttle-Bussen auf dem Bosch-Forschungscampus in Renningen wurde die Beförderung von Personen auf einem Gelände getestet, auf dem auch Fußgänger unterwegs sind. Auf einem Innovationspark bei Aachen sowie im Umfeld eines Paketzentrums der Deutschen Post/DHL wurde mit einem Logistikfahrzeug das Zusammenspiel von Fahrer und automatisiertem Fahrzeug untersucht.

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