Verkehrssicherheit : Piepender Assistent: Warum ein Helfer beim Abbiegen Leben retten kann

© Lukas Klamert

Die einen sagen so, die anderen sagen so, doch egal wie man es dreht, Bemühungen zur Steigerung der öffentlichen Verkehrssicherheit sind sicher alles andere als verkehrt: So sehen es auch das Bundesministerium, die Wirtschaftskammer, diverse Verbände und die Automobilklubs, wenn es um das Thema Lkw-Abbiegeassistenten geht.

Gefahr trotz geschulter Berufsfahrer

Konkret geht es darum, den toten Winkel bei schweren Nutzfahrzeugen auszuschalten. Nicht nur sind Lkw-Fahrerhäuser hoch gebaut, „das Problem sind die dicken A-Säulen, die beim Rechtsabbiegen die Sicht auf das verdecken, was seitlich vom Fahrzeug geschieht“, sagte ÖAMTC-Fahrtechniker Gerhard Blümel gestern bei der Vorführung eines Abbiegeassistenzsystems vor dem Volksgarten in Wien.

Eine absolute Gefahr im urbanen Raum, egal wie kompetent und aufmerksam der Lenker auch sein mag, denn jährlich durchlaufen tausende Berufskraftfahrer Trainings der ÖAMTC-Fahrtechnik, bei denen der tote Winkel einen Schwerpunkt bildet. Doch für die Fahrer und ihre Lkws wird es ohnehin nicht einfacher. Es treten immer mehr unberechenbare Gefahrenquellen in ihren Arbeitsalltag, die das Risiko von Unfällen, nicht nur beim Rechtsabbiegen, noch einmal deutlich steigern.

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Neben Radfahrern und Fußgängern drängen sich zusehends E-Scooter und E-Biker durch den dichten Straßenverkehr – und das mit erheblichem Tempo. An einer Lösung muss also gebastelt werden, um die Unfallzahlen – vor dem Hintergrund der zunehmenden E-Mobilität – nicht ungewollt in die Höhe schnellen zu lassen.

„Gerade das Aufeinandertreffen von Lkw oder Bussen mit diesen Verkehrsteilnehmern in urbanen Kreuzungsbereichen führt immer wieder zu gefährlichen Situationen“, betonte ÖAMTC-Direktor Oliver Schmerold gestern. Abbiegeassistenzsysteme, gegebenenfalls auch nachgerüstet, sollen die Situation auf den Straßen deshalb entschärfen.

Stadt Wien reagiert mit Testversuchen

Die Stadt Wien wagt gerade den Testlauf mit drei Abbiegeassistenzsystemen, die es in die engere Auswahl geschafft haben. Nach wenigen Tagen der Praxis soll dann feststehen, ob der flächendeckende Einbau den gewünschten Nutzen bringt. Ein Anliegen, das Peter-Michael Tropper, Geschäftsführer des Fachverband Güterbeförderung der WKÖ, teilt. Er wünsche sich, dass zunächst klar definiert wird, was ein Abbiegeassistent bei neuzugelassenen Lkw können muss. Obendrein müsse auch geklärt werden, ob die Voraussetzungen bei einer Nachrüstung stimmen.

Sollte sich ein Abbiegeassistenzsystem als nützlich herausstellen, werde der Einbau ab Beginn der kommenden Woche schnell umgesetzt, versprach Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Dabei geht es unter anderem um rund 300 Müllfahrzeuge der MA 48, die aktuell lediglich über Zusatzspiegel verfügen, um den toten Winkel zu eliminieren. Fix mit den neuen Abbiegeassistenzsystemen ausgestattet wird der Lkw-Fuhrpark der Verkehrsabteilungen der Stadt (Straßenbau, Brückenbau und Licht). Er umfasst 37 Lkws über ein Gewicht von 3,5 Tonnen.

Toter Winkel verschwindet nicht

Der gestern durchgeführte Praxistest des ÖAMTC sollte verdeutlichen, dass sich trotz der sechs Spiegel, die vorschriftsgemäß am Fahrzeug angebracht sein müssen, der tote Winkel nicht völlig vermeiden lässt. „Wir haben allerdings auch gezeigt, dass es bereits Assistenzsysteme gibt, die Lkw-Fahrer bei Abbiegevorgängen massiv unterstützen“, hält Schmerold fest.

Dabei werden mit Hilfe von Kameras und Radar Personen oder Fahrzeuge, die sich im toten Winkel befinden, erkannt und ein akustisches Warnsignal ertönt im Fahrerhaus. Der ÖAMTC-Direktor ist überzeugt, dass diese Systeme in Zukunft noch viele Menschenleben retten werden.

Klacska fordert mehr Bewusstseinsbildung

„Obwohl der tote Winkel das Sichtfeld der Fahrer extrem einschränkt, sind sich andere Verkehrsteilnehmer dieses Handicaps für Lkw-Lenker oft gar nicht bewusst“, sagte Schmerold, womit er indirekt das Fehlen von Kompetenz im Straßenalltag ansprach: „Fahrradfahrer und Fußgänger müssen darauf sensibilisiert werden, dass der tote Winkel der gefährlichste Ort im Straßenverkehr ist.“ Schlussendlich sei es ist die Summe aus Fahrsicherheitstraining und Sensibilisierung, die Österreichs Straßen in Zukunft noch sicherer machen wird, sagte Schmerold.

In die gleiche Kerbe schlägt auch WKÖ-Bundesspartenobmann Alexander Klacska, wenn er im Namen der Sparte Transport und Verkehr fordert, bereits im Kindesalter beziehungsweise bei der Führerscheinausbildung stärkerer auf das Thema Verkehrssicherheit zu setzen. „Natürlich ist es notwendig, aktiv die Sicherheit bei Lkws zu verbessern, es ist aber auch wichtig ein Gesamtpaket zu schnüren“, so Klacska.

Es dürfe nicht nur eine Branche gezielt finanziell belastet werden. „Wir müssen auch mehr Bewusstseinsbildung in die Schulen bekommen“. Geklärt sei auch noch nicht die Frage der Infrastruktur: „Können wir Schutzwege um zehn bis zwanzig Meter verlegen, damit unsere Lkws wieder gestreckt vor dem Schutzweg ankommen?“ Der Spartenobmann möchte diese Punkte jedenfalls beim Lkw-Sicherheitsgipfel diskutieren.

Viele offene Fragen warten auf Antworten

Es ist nicht nur die Frage der technischen Umsetzung, sondern auch wie viele Fahrzeuge die Umrüstung überhaupt erfassen soll und welche Kosten dadurch entstehen. Mit 3.000 Euro pro Fahrzeug ist bei einer Umrüstung jedenfalls zu rechnen, gab die Stadt Wien zur Aussage. Konkreter wird es hoffentlich nächste Woche beim einberufenen Lkw-Verkehrsgipfel werden.

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