Wirtschaft : Megaprozess gegen Volkswagentochter MAN

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Das Management des Lastwagenbauers MAN, eine Marke der VW-Tochter „Traton“, hat den Vertrag zur Standortsicherung des Werks Steyr in Oberösterreich einseitig aufgekündigt. Bereits zum Jahresende 2023 könnten dort die Tore geschlossen werden. Das Management beruft sich dabei auf eine sogenannte „Schlechtwetterklausel“, die eine vorzeitige Vertragsauflösung unter gewissen wirtschaftlichen Umständen erlauben würde. Die Produktion soll in die Türkei und nach Polen verlagert werden. In Österreich befasst sich bereits die Staatliche Wirtschaftskommission mit der Causa. In Deutschland geht der Betriebsrat nun auch gerichtlich gegen den Konzern vor. Ein erster Termin vor dem Arbeitsgericht in München ist für Dienstag, den 12. Jänner 2021, anberaumt.

Summa summarum könnte es bei der juristischen Auseinandersetzung zwischen dem Betriebsrat und der MAN um mehr als eine halbe Milliarde Euro gehen. Denn, so ist vom Betriebsrat zu hören, es gebe einen gültigen Vertrag wonach sich MAN verpflichtet habe, in Steyr bis 31. Dezember 2030 keine betriebsbedingten Kündigungen vorzunehmen. Falls das Werk vorzeitig geschlossen wird und die Kündigungen beginnen, dann will der Betriebsrat die Entgeltfortzahlung bis zu diesem Zeitpunkt gerichtlich einfordern, also sieben Jahre über die kolportierte Werksschließung im Jahr 2023 hinaus. Dies würde dann aber voraussichtlich vor einem österreichischen Arbeitsgericht zu erfolgen haben.

Selbst für angelernte und ungelernte Arbeiter (Lohngruppen 6 und 7) beträgt der monatliche Mindestlohn für Metallarbeiter in Österreich laut Kollektivvertrag 2.000 Euro brutto, also einschließlich Sonderzahlungen 28.000 Euro jährlich. Bei 2.300 Mitarbeitern und sieben Jahren wären das 451 Millionen Euro Streitwert. Steyr ist aber kein reiner Produktionsstandort, sondern es befindet sich auch ein Vorseriencenter dort. Es gibt also Ingenieure, Techniker und sonstige höher qualifizierte Mitarbeiter. Außerdem dürften viele angelernte Arbeiter aufgrund langjähriger Betriebszugehörigkeit über dem Mindestlohn beschäftigt sein. Der Streitwert im Falle einer vorzeitigen Kündigung der gesamten Belegschaft von Steyr würde damit insgesamt weit über einer halben Milliarde Euro liegen.

Das Argument des Betriebsrats, mit der die Forderung nach Entgeltfortzahlung begründet wird, stützt sich auf die interne Betriebsvereinbarung. Es sei auch bei Managern und Vorständen so, dass vorzeitig aufgelöste Dienstverträge vollständig abgegolten werden müssten. Gleiches habe folgerichtig auch für die Belegschaft zu gelten. MAN habe in Steyr bislang Gewinne geschrieben, das Werk sei also profitabel, sagt der Betriebsrat. Eine einseitige Vertragsauflösung seitens des Managements, unter Berufung auf eine Wirtschaftlichkeitsklausel in der Vereinbarung, sei demnach nicht gerechtfertigt. Man darf gespannt sein, was das MAN-Management diesen Argumenten im Rahmen der Gerichtsverhandlungen entgegnen wird oder ob es nicht doch noch zu einer gütlichen Einigung kommt. (aktualisiert am 11. Jänner 2021).

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* Ergänzung: Laut dem Chef des Arbeiter-Betriebsrats im Werk Steyr, Erich Schwarz, würden die finanziellen Auswirkungen im Falle der Schließung und vorzeitigen Kündigungen am Standort Steyr sogar über eine Milliarde Euro betragen.

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