Straßengüterverkehr : Dringend mehr Solidarität an der Laderampe erwünscht

Die Zahlen, die der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung auf der (BGL) auf der Transportlogistik 2019 präsentierte sind beeindruckend. Lag die Verkehrsleistung im Straßengüterverkehr in den 1950er Jahren bei ungefähr 14 Milliarden Tonnen Kilometern, beträgt sie heute bereits über 500 Milliarden Tonnenkilometer. Dass angesichts eines solchen Umfangs bewegter Waren genügend Fahrpersonal benötigt wird, steht außer Frage. Doch an eben diesem Punkt hakt es gewaltig. Inzwischen fehlen der Logistikbranche allein in Deutschland mehr als 45.000 Fahrzeugführer, wie Logistik-Verbände berichten. Die Tendenz ist steigend. Der Negativtrend weitet sich mittlerweile auf verkehrsträgerübergreifende Lieferketten aus. So fehlen etwa im Vor- und Nachlauf zu und von See- und Flughäfen immer wieder Transportkapazitäten in Folge des Fahrermangels.

Auch in Osteuropa wird das Problem sichtbar, erklärt Professor Dirk Engelhardt auf der Konferenz zum Thema "Lkw-Fahrer 4.0 – Quo vadis Berufskraftfahrer?". „Kollegen aus Ungarn, Tschechien und Rumänien klagen darüber, dass sie Stellen nicht besetzen können“, sagte Engelhardt auf der Transportlogistik vergangene Woche in München. Auch in Übersee bestünde bereits ein massives Problem durch fehlendes Fahrpersonal. Gezielte Maßnahmen, wie Anreize durch höhere Löhne zu schaffen, greifen laut DSLV-Präsident Axel Plaß nicht. „Zwar ziehen die Fahrerlöhne an, doch daraus generiert sich auf dem Arbeitsmarkt kein zusätzliches Arbeitskräfteangebot. Trotz nachhaltiger Lohnanpassungen steigt die Attraktivität des Berufsbilds nicht“, so Plaß. Von dieser Abwärtsentwicklung betroffen sind der Stückgut-, der Teilladungs- und der Ladungsmarkt. Nach Feststellungen des DSLV reagiert der Markt bereits: nachhaltige Lohnkostensteigerung lassen die Speditions- und Transportkosten spürbar steigen. Logistikkunden müssen sich deshalb auch auf ein höheres Preisniveau einrichten.

An besseren Rahmenbedingungen arbeiten

Ein Punkt, der in Fahrerbefragungen immer wieder auftaucht, ist der Ruf nach verbesserten Rahmenbedingungen. Gefeilt werden muss nicht nur am Image des Berufsbildes, es muss auch die Wertschätzung der Fahrer gesteigert werden. „Man müsse schon bei den Kleinen anfangen und ihnen klar machen, wo die Sachen täglich herkommen“, sagte Lkw-Lenkerin Christina Scheib, BGL-Botschafterin für Berufskraftfahrerinnen, auf der Transportlogistik. „Der Beruf des Lkw-Fahrers muss wieder einen Wert bekommen.“ Geradezu betroffene Ruhe herrschte, als ein Lkw-Fahrer aus dem Publikum auf den Umstand aufmerksam machte, dass er bei der Ankunft mit seinem Lkw durch die Mitarbeiter von Logistikunternehmen oft nicht einmal begrüßt werde.

Lkw-Lenkerin Christina Scheib berichtete über ein besonders krasses Beispiel, wo die Toiletten eines Unternehmens von Lkw-Fahrern nicht benutzt werden durften. Der DSLV scheint um das Problem zu wissen. Ein zum Teil sehr schlechter persönlicher Umgang an den Laderampen von Industrie und Handel sowie der Airlines verletzt die Würde der Fahrzeugführer in einer Weise, die mit dem berechtigten Qualitätsanspruch eines Kunden an seinen Dienstleister längst nicht mehr zu rechtfertigen ist, war in einer Mitteilung diesbezüglich zu lesen. Außerdem wird aus Gründen der Einsparung der verladenden Wirtschaft in einigen Fällen der Fahrer zu Be- und Entladetätigkeiten beim Kunden herangezogen. Zur Bereinigung der dramatischen Situation ist deshalb ein gesellschaftliches Umdenken erforderlich, fordert der DSLV.

„Trotz fortschreitender Digitalisierung und Automatisierung des Verkehrs muss allen Lieferempfängern bewusst sein, dass Warentransporte immer noch von Menschen durchgeführt werden", so DSLV-Präsident Plaß. „Früher wurde häufig der Lkw-Fahrer als Bösewicht dargestellt und die Disponenten waren fein raus“, sagte Gerald Hensel, Vorsitzender im BGL-Ausschusses für Fahrer-Berufsbildung. Im schlimmsten Fall hieß es sogar von Kunden: „Dann entlasse den Fahrer doch einfach“. Was in weiterer Folge auch passiert ist. Doch die Zeiten haben sich geändert. „Es muss heute mehr auf den Fahrer gehört werden als früher", ergänzt Hensel. Eine Unterscheidung zwischen Büro- und Fahrpersonal muss aufgehoben werden. Mehr Solidarität wäre wünschenswert, so der Appell aller Vortragenden. Gelingt es nicht, Nachwuchskräfte zu mobilisieren, entstehen Versorgungsengpässe.

Image verbessern und Wertschätzung steigern

Doch was kann gegen die Missstände getan werden? Bemühungen, die Wertschätzung des Fahrerberufs zu steigern, ist das Ziel des neugegründeten Vereins „PROFI - Pro Fahrer-Image“, an dem der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) und 21 Mitgründer beteiligt sind: darunter mehrere Bundesverbände, das Fahrzeugwerk Krone und die Union Tank Eckstein (UTA). Die Schirmherrschaft für PROFI hat der deutsche Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) inne. „Wir wissen aus dem täglichen Geschäft, wie wichtig es ist, die Wertschätzung für den Fahrer-Beruf zu steigern, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und Ausbildung sowie Qualifizierung von Berufskraftfahrerinnen und -fahrern zu fördern“, erklärt UTA-Chef Volker Huber das Engagement.

Entsprechend der Wünsche der Fahrer muss auch das Arbeitszeitmodell zeitgerecht werden. „Frauen tendieren zu Teilzeit, doch wir wissen aus Studien, dass künftig auch junge Männer vermehrt zu Teilzeit tendieren werden“, erklärte Andrea Kocsis, stellvertretende Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi). Lkw-Fahrerin Christina Scheib würde sich seitens der Unternehmen wünschen, dass über dieses Thema offener gesprochen wird.

Keine Angst vor der Automatisierung

„Zukunftsstudien, die meinen, dass es den Fahrer wegen der Automatisierung in Zukunft nicht mehr brauchen wird, ist eine gefährliche Schwarz-Weiß-Betrachtung“, betonte der Geschäftsführende Gesellschafter von Teamobility, Johann Tomforde als einer der Vortragenden. Solche Studien würden nicht immer zutreffen, wie im Fall der Elektromobilität. „Mittlerweile sollte jedem klar geworden sein, dass die Elektromobilität ein Teil unserer Mobilität ist, aber eben nicht alles abdecken kann.“ An eine Verbesserung verschiedener Faktoren glaubt Tomforde mithilfe der fortschreitenden Digitalisierung dennoch - etwa die Reduzierung von Leerfahrten. „Der Fahrer wird nicht nur eine Logistik-Management-Funktion erhalten, sondern auch ein Markenbotschafter für sein Unternehmen sein.“

Davon, dass die Lkw-Fahrer noch bis zur ihrer Pensionierung ein Lenkrad im Lastkraftwagen vorfinden werden, ist Hubertus Goldkuhle von der Daimler-Verbandsbetreuung Lkw überzeugt. Automatisierungsgrad und Rahmenbedingungen befänden sich noch lange nicht auf einem Niveau, dass einen Lkw-Fahrer überflüssig machen würde. Als Appell richteten die Vortragenden an die Politik, dass die Aufenthaltsbedingungen auf den Rasthöfen rasch verbessert werden und die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten humaner gestaltet werden. Lkw-Fahrer sollen die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen und Ruhezeiten so einlegen können, dass ein echter Erholungseffekt möglich ist.

Hierfür verlangen BGL und Verdi ausreichend geeignete Stellplätze, saubere sanitäre Einrichtungen und bezahlbare Angebote für Produkte und Dienstleistungen an den Rasthöfen. Einen Schritt weiter geht Gerald Hensel, Vorsitzender des BGL-Ausschusses für Fahrerberufsbildung. Der Fahrer müsse verstärkt bei den Unternehmensentscheidungen eingebunden werden - etwa, wenn es darum geht, welche Lkws angeschafft für den Fuhrpark werden. Der Fahrermangel hat für ihn aber auch einen positiven Nebeneffekt: Er wird den Mangelberuf Lkw-Fahrer in seinem Image erheblich fördern, ist Gerald Hensel überzeugt.