Verkehrssicherheit : Der Abbiegeassistent kommt erst 2024 - eine Klarstellung

Sensoren bei der integrierten OEM-Lösung von Daimler Truck seitlich am Fahrzeug
© Ludwig Fliesser

„Ab 2022 soll es bei neuen Lkw verpflichtend einen Abbiegeassistenten geben“ berichtet etwa die Tageszeitung Kurier auf ihrer Website und - im Wortlaut ident - auch die Krone. Der öffentlich rechtliche Rundfunk, ORF, verkündete am 2. April in der ZIB: „Neue Lastwagen müssen ab dem Jahr 2022 verpflichtend einen Abbiegeassistenten eingebaut haben“, so hätte es das EU-Parlament beschlossen. Nun, das ist - vorsichtig ausgedrückt - nicht richtig.

Richtig ist vielmehr, dass ab 2022 für alle neuen Fahrzeugtypen der Abbiegeassistent verpflichtend wird beziehungsweise werden soll. Die diesbezügliche Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments steht nämlich noch aus und auch der Rat muss noch zustimmen. Tritt die Verordnung wie geplant im Herbst 2019 in Kraft, dann werden Abbiegeassistenten für Lkw und Busse zweieinhalb Jahre später, also im Frühjahr 2022, verpflichtend. Das betrifft aber nur die Genehmigung neuer Modellreihen. Lkw und Busse noch bestehender Serien dürfen danach noch weitere zwei Jahre - also bis zum Frühjahr 2024 auch ohne Abbiegeassistenten verkauft werden. Die Klarsichterfordernisse für Lkw und Busse werden sogar erst Mitte 2023 für alle neuen Typen und 2026 für alle Neufahrzeuge verpflichtend.

Warum ist das wichtig?

Nun, man könnte sagen, der Lkw-Abbiegeassistent ist ein Nischenthema, das nur eine bestimmte Branche betrifft. Die Opfer von Abbiegeunfällen sind in der Regel allerdings Fußgänger und Radfahrer und es ist keinerlei Beschränkung des Problemfelds auf die Transportbranche gegeben. Vielmehr geht es um die Auswirkungen des Straßentransports auf die öffentliche Sicherheit. Zum anderen wurde in Folge eines tragischen Verkehrsunfall Anfang des Jahres in Österreich eine breite gesellschaftliche Diskussion losgetreten und entsprechende Forderungen an die politisch Verantwortlichen erhoben. Eine Online-Petition zur Einführung des Abbiegeassistenten erreichte bereits 74.295 Unterschriften. Die Angelegenheit schien der Regierung damit relevant genug, dass man einen nationalen Lkw-Sicherheitsgipfel einberief, unter Leitung des Verkehrsministers. Das Ergebnis, salopp formuliert: Man könne im nationalen Alleingang schon aus juristischen Gründen nichts ausrichten, mache sich dafür aber auf EU-Ebene für eine rasche, europaweite Einführung des verpflichtenden Abbiegeassistenten stark. Und zahlreiche Medienberichte erwecken nun den Eindruck, dass die rasche Einführung des Abbiegeassistenten nun auf EU-Ebene erreicht wurde.

Selbst wenn jedoch die Abstimmung im Europäischen Parlament noch in dieser Legislaturperiode erfolgt und im Anschluss vom Rat abgesegnet wird, dürfen noch weitere fünf Jahre lang Lkw und Busse ohne Abbiegeassistent als Neuwagen verkauft werden. Findet die Abstimmung erst im Herbst 2019 nach den Europawahlen statt, dann könnte sich dieser Zeitraum sogar noch verlängern.